Wir Daten-Deppen

Von Andreas Theyssen am 11. August 2013

Wir regen uns auf über Prism und Tempora, die Schnüffelprogramme der Amerikaner und Briten. Wir huldigen Edward Snowden, dem Whistleblower von der NSA. Wir mokieren uns über Angela Merkel und ihren hilflosen Innenminister Hans-Peter Friedrich. Dabei sind wir selber in Sachen Datensicherheit dümmer als die NSA erlaubt

 

Der Online-Kalender von Google ist eine feine Sache. Man trägt am PC einen Termin ein, und quasi im selben Augenblick taucht er auch im Kalender des Smartphones auf. Praktischer geht’s wirklich nicht. Nachdem ich ein paar Termine eingetragen hatte, fiel mir auf, dass im Kalender auch ein paar standen, die ich gar nicht eingetragen hatte: die Geburtstage von Bekannten, und zwar nur von denjenigen, mit denen ich bei Facebook „befreundet“ bin. Ulkig, dass Google meine Facebook-„Freunde“ kennt, dachte ich noch in meiner naiven Art.

Dann wollte ich auf meinen neuen Smartphone auch noch die App von Skype herunterladen, dem Zentralorgan für kostenlose Videotelefonie per Internet. Freundlicherweise ist mein Smartphone so konstruiert, dass es etwas weitblickender gestrickt ist als ich und fragte mich, ob ich das auch wirklich wolle. Und listete dann auf, welchen Dingen ich zustimmen muss, wenn ich die Skype-App nutzen will. Glücklicherweise erwischte mich mein Smartphone an einem stressfreien Tag, und ausnahmsweise habe ich dann wirklich einmal das Kleingedruckte gelesen, anstatt dem Download einfach zuzustimmen.

Da stand: „Ermöglicht der App, Daten zu den auf Ihrem Telefon gespeicherten Kontakten zu lesen, einschließlich der Häufigkeit, mit der Sie bestimmte Personen angerufen, diesen Emails gesendet oder anderweitig mit ihnen kommuniziert haben. Die Berechtigung erlaubt Apps, Ihre Kontaktdaten zu speichern (…) Ermöglicht der App, Daten zu Kontakten, die auf Ihrem Telefon gespeichert sind, zu ändern. Die Berechtigung erlaubt Apps, Kontaktdaten zu löschen.“

Mit anderen Worten: Ich war gerade dabei, mir quasi die NSA runterzuladen. Denn  Skype will wie die US-Lauschbehörde auf meine Verbindungsdaten zugreifen und alle meine „Freunde“ kennenlernen. Das Unternehmen will darüber hinaus etwas tun, was sich nicht einmal Barack Obamas Cyberspione trauen: meine Kontaktdaten ändern oder gar löschen. Bei aller berechtigten Aufregung über Obama, Friedrich oder Merkel – sollten wir uns nicht mindestens genauso über Bill Gates echauffieren, zu dessen Konzern Microsoft Skype heute gehört?

Dass Microsoft und andere US-Konzerne wie Apple oder Google der NSA behilflich sind, wissen wir ja dank unseres Helden Ed Snowden. Doch auch deutsche Unternehmen stehen Microsoft in puncto Datenabgreifen in nichts nach. Versuchen Sie doch mal, die App von Xing runterzuladen, einer Onlineplattform für Business-Networker, die heute mehrheitlich dem Burda-Verlag gehört. Sie greift die gleichen Verbindungsdaten ab wie Skype, behält sich ebenso Änderungen und Löschungen von Kontaktdaten vor.

Bevor wir uns also über NSA, Merkel und Friedrich echauffieren, sollten wir vielleicht einmal in uns gehen und überlegen, wieviel wir selber freiwillig von uns preisgeben. Sei es aus Sorglosigkeit, Naivität oder durch pures Daten-Deppentum.

 

Andreas Theyssen war gerade dabei, sein neues Smartphone mit Apps aufzupeppen, als er – misstrauisch gemacht durch den NSA-Aussteiger Edward Snowden – dann doch einmal das Kleingedruckte las. Auf die Installierung von Skype und Xing hat er danach zwar verzichtet, ein Datendepp ist er dennoch – er nutzt die Facebook-App.

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Jürgen Mustermann am 20. August 2013

99% Zustimmung, aber: dennoch (immer noch?!) Facebook-Nutzer?

Andreas Theyssen am 20. August 2013

Leider ja. Denn erstens bin auch ich ein Daten-Depp und zweitens brauche ich Facebook oft beruflich. Und schließlich: Ohne Facebook wäre der Bekanntheitsgrad des Opinion Clubs deutlich geringer als er im Moment ist. Es ist eben immer eine Frage der Güterabwägung.