Der Weihnachtsmann lebt
Russlands Präsident Wladimir Putin hat mit seinen angekündigten Amnestien bewiesen, dass es wirklich den alten Mann gibt, der zu Weihnachten die Geschenke bringt
Zunächst die schlechte Nachricht: Einen weißen Bart hat er nicht, auch keine Mütze und kein rotes Mäntelchen. Aber ansonsten stimmt alles: Er kommt zu Weihnachten und verteilt Geschenke. Dass die Legende vom Weihnachtsmann stimmt, hat nun ein Christmasologe bewiesen, der sonst eher im Feld der Politik tätig ist: Russlands Präsident Wladimir Putin
25.000 Menschen, so hat er erklärt, will er nun amnestieren. Darunter zwei Mitglieder der Band Pussy Riot, die Besatzung eines Greenpeace-Schiffs und den seit zehn Jahren inhaftierten Ex-Oligarchen Michail Chodorkowski, einen seiner größten Gegner. Welch größeres Geschenk könnte der Weihnachtsmann so kurz vor dem Fest der Freude diesen Menschen machen?
Christmasologe Putin hat allerdings auch bewiesen, dass der Weihnachtsmann nicht immer ganz uneigennützig seine Geschenke verteilt. Am 7. Februar beginnen in Sotschi die Olympischen Winterspiele, und im Vorfeld hatte es international viel Kritik gegeben an Putin und Russlands Umgang mit Regimegegnern. Diese Kritik wird nun verstummen, schließlich ist die Amnestie ja vom Weihnachtsmann höchstpersönlich angekündigt.
Einen klitzekleinen Haken hat die Aktion dennoch: Die russischen Behörden haben nun sechs Monate Zeit, den Erlass umzusetzen. Die Inhaftierten müssen diverse Papiere beibringen; die beiden Pussy-Riot-Musikerinnen zum Beispiel werden belegen müssen, dass sie das Erziehungsrecht für ihre minderjährigen Kinder haben. Wer die Bürokratie kennt, zumal die russische, der weiß, dass sich soetwas hinziehen kann. Vielleicht sogar bis nach den Winterspielen. Und vielleicht wird auch gar nichts aus der Freilassung, weil irgendein Nachweis nicht erbracht werden konnte.
Aber was soll’s? Die Inhaftierten werden auf jeden Fall ihre Vorfreude haben, die bekanntermaßen zur Weihnachtszeit gehört gehört wie der Adventskranz. Und der Weihnachtsmann wird bei den Olympischen Spielen ganz sicher seine Ruhe vor irgendwelchen Menschenrechtsaktivisten haben. Es ist also eine echte Win-win-Situation, so richtig weihnachtsmäßig. Und wer hat’s bewiesen? Wladimir Putin. Spassiba.
Andreas Theyssen, Autor in Berlin, hat schon als Politikchef der „Financial Times Deutschland“ die Finessen Wladimir Putins fasziniert verfolgt.