Die Weichzeichner

Von Oliver Piecha am 10. März 2014

Die internationale Krise um die Ukraine ist ein weiteres Warnsignal, dass die außenpolitische Führungs- und Konzeptionslosigkeit der Obama-Administration immer höhere Risiken produziert

Barack Obama hat immer so schöne Reden gehalten, das konnte er wirklich gut; aber selbst die großen Reden seiner zweiten Amtszeit sind quasi in Echtzeit verpufft. Der Zauber ist verflogen. Und das Desaster ist längst offenbar: Als Politiker ist der Mann eine schlimme Fehlbesetzung.

Und jetzt muß Barack Obama wegen des russischen Einmarsches auf die Krim plötzlich wieder Außenpolitik machen. Etwas, das er ansonsten wenn es geht vermeidet. Er mag zwar im Gegensatz zu früheren Präsidenten der USA eine präzise Vorstellung von der Lage von Ländern und Kontinenten haben und von der bunten Vielfalt von Kulturen, was er aber dort draußen in der Welt eigentlich wollen sollte, das weiß er im Gegensatz zu seinen Amtsvorgängern leider nicht.  Und das macht die Sache gefährlich.

Natürlich kann man nun fragen: Was kann Barack Obama denn wegen der Besetzung der Krim schon  tun?  Soll er etwa den Dritten Weltkrieg riskieren? Mourir pour Sébastopol?

Ja genau, was kann Obama jetzt noch tun. Es ist halt zu spät.  Der letzte Moment, als es für kurze Zeit so aussah, als könne die Irrfahrt des amerikanischen Präsidenten in den Gewässer der Außenpolitik noch gestoppt werden, lag im August 2013. Es wäre das Eingreifen in Syrien gewesen. Obama hat damals nach einem Hin und Her, das eine erschreckende Konzeptlosigkeit verriet, schließlich nicht interveniert, sondern der russischen Regierung die Initiative überlassen und es Putin ermöglicht, seinen Schützling Assad zu retten. Seitdem weiß die Welt, und weiß es Putin insbesondere, was von Obamas „Roten Linien“ zu halten ist.

Das damalige Giftgasabkommen hat voraussagbar nichts an dem andauernden Morden und dem Zerfall Syriens geändert, bisher ist nach wohlmeinenden Schätzungen erst ein Drittel der Bestände außer Landes gebracht, aber darauf kann Assad längst beruhigt verzichten, er bekommt von Moskau ja genug konventionelle Bomben geliefert. Wenn man diesen groß verkündeten „Erfolg“ der amerikanischen Diplomatie zum Maßstab nimmt, dann ahnt man, wie ernst wohl so ein Putin einen Obama nimmt, wenn es nun um die Krim geht.

Falls es allerdings so etwas wie eine zumindest grob erkennbare außenpolitische Linie des derzeitigen US-Präsidenten gibt, dann besteht sie in dem letztlich bedingungslosen amerikanischen Rückzug aus dem Nahen und Mittleren Osten. Syrien ist nur ein Beispiel, das ziellose Herumverhandeln um den Israel-/Palästinakonflikt, die Schmeichelpolitik gegenüber dem Iran und das Verprellen der eigenen alten Verbündeten in der Region sind da weitere Eckpfeiler. Der Friedensnobelpreisträger hinterlässt eine Region im Chaos, deren rivalisierende Mächte sich nach dem amerikanischen Rückzug erst richtig an die Gurgel gehen werden.

Die USA sind de facto die einzige verbliebene Weltmacht. Sie können nicht einfach so tun, als seien sie das nicht mehr. Wirtschaftlich und kulturell mag es längst Verschiebungen geben, aber die USA sind immer noch – und auf absehbare Zeit – der einzige Staat, der tatsächlich global mit weit überleger militärischer Kraft handeln kann. Selbst ein Obama agiert ja jenseits des ganzen Wortgeklingels von „Multilateralismus“ im Zweifel eben nicht wie der Staatschef eines „normalen“ Landes; erinnert sei nur an den – von seinen europäischen Bewunderern so gerne übersehen – Drohnenkrieg jenseits aller völkerrechtlichen Grenzen.

Wenn die Handlungen dieser „Supermacht“ aber nicht mehr länger einschätzbar sind, weil an ihrer Spitze ein Zauderer par excellence steht, dann führt das zu wachsender Unsicherheit. Die Putins dieser Welt wollen wissen, wie weit sie gehen können. Über das amerikanische Gegenmodell zu Obama, verkörpert etwa von John McCain mit seinem Haudegennimbus mag man sich leicht lächerlich machen können – im außenpolitischen Handeln ist so jemand jedoch für seine Kontrahenten, zumal wenn es sich dabei um autoritären Charaktere handelt, klar einschätzbar.

Obama hat jetzt ein richtiges Problem. Die Ukraine ist nicht Syrien und Osteuropa nicht der Nahe Osten. Hier kann er sich nicht schon wieder vom Platz trollen. Und wenn er sich nun noch einmal so ziellos wie in Syrien zeigt, wird er endgültig jede Reputation verloren haben. Zumal die Osteuropäer die amerikanische Schwäche in nackte Panik versetzen wird. Die EU oder gar ein deutscher Außenminister hilft ihnen nicht, wenn auch bei Ihnen mal wieder ein russischer Panzer zufällig über die Grenze rollen sollte. Obama muss nun „Stärke“ zeigen. Und diesmal nicht nur am Joystick einer Drohne. Und das mit einem Gefolge von europäischen Verbündeten, deren Zustand ähnlich desolat ist, wie der der USA. Von dieser Ausgangslage wären allerdings auch größere außenpolitische Talente als Obama gefordert.

Oliver M. Piecha, Historiker, beobachtet für die Wochenzeitschrift Jungle World seit Jahren die Entwicklungen im Nahen Osten und hat die deutsche Obama-Euphorie schon damals nicht verstanden.

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