Gib Gas, Europa

Von Andreas Theyssen am 24. April 2014

Polens Premier Donald Tusk fordert angesichts der Ukraine-Krise eine europäische Energie-Union. Gute Idee – und längst überfällig

Russlands Präsident Wladimir Putin ließ an Deutlichkeit nicht zu wünschen übrig. Die Ukraine-Krise, so schrieb er an mehrere europäische Regierungschefs, könne dummerweise auch indirekt Auswirkungen auf die russischen Gaslieferungen nach Westeuropa haben. Mit anderen Worten: Denkt bei eurer Ukraine-Politik gefälligst daran, wer euer Hauptenergieversorger ist, nämlich Russland.

Es ist eben schwer für die EU, in der Ukraine-Krise einen harten Kurs gegen Moskau zu fahren, wenn sie massiv abhängig ist von russischen Gas- oder Öllieferungen. Deutschland bezieht rund 35 Prozent dieser beiden Energieträger aus Russland, bei einigen osteuropäischen EU-Ländern ist die Abhängigkeit noch deutlich höher. Polens Premier Donald Tusk hat deshalb jetzt vorgeschlagen, in der EU eine Energie-Union zu gründen, um die Abhängigkeit von russischen Gas- und Öllieferungen zu reduzieren.

Der Vorschlag ist gut – und schon lange überfällig. Und dies nicht nur wegen der Unberechenbarkeit Putins. Denn während der übrige Waren- und Personenverkehr innerhalb der EU weitestgehend frei ist, herrschen im Energiesektor innerhalb der Union noch Verhältnisse wie im frühen 20. Jahrhundert. Etliche Staaten haben ihre Energiebranchen abgeschottet, Stromleitungen über Staatsgrenzen hinweg sind keine Selbstverständlichkeit, Gas von West nach Ost zu leiten, ist nicht immer machbar. Während Deutschland vor allem auf erneuerbare Energien setzt, hängen Frankreich und Großbritannien am Atomstrom, Polen baut hauptsächlich auf die heimische Kohle. In Sachen Energie ist die EU ein Flickenteppich.

Es herrscht also Handlungsbedarf, und zwar dringender. Die baltischen und südosteuropäischen Staaten müssen schleunigst ans europäische Stromnetz angeschlossen werden. Eine klimafreundliche, einheitliche Energiepolitik ist nötig. Strom und Gas müssen innerhalb der EU frei handel- und verfügbar sein. Die extreme Abhängigkeit von russischem Gas muss deutlich reduziert werden.

Falls die EU durch Putin und den Fall Ukraine endlich dazu gebracht wird zu handeln, dann kann man die Krise auch als Chance sehen. Aber diese Chance müssen die EU-Staaten nutzen.

Andreas Theyssen, Autor in Berlin, wundert sich schon seit der ersten Ukraine-Krise, wie sorglos die EU mit ihrer Abhängigkeit von russischem Gas umgeht.

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