Eine Schachtel Pralinen reicht

Von Axel Reimann am 14. August 2014

Die Debatte über Managergehälter nervt. Es ist alles gesagt, jeder weiß Bescheid, aber zu mehr als ein bisschen Jammern reicht der Veränderungswille nicht. Zeit für neue Incentives im Top-Management

Gerade wurde bekannt, dass die Vorstände und Führungskräfte des Medien-Konzerns ProSiebenSat.1 ein Extra-Boni-Schmankerl in Höhe von 76,8 Millionen Euro erhalten haben. Als Abschiedsgeschenk von dankbaren Ex-Investoren, einfach so für die außerordentlichen Leistungen des Managements.

Egal wo man nun in der Debatte über Managergehälter steht, in einer Hinsicht ist diese Bonuszahlung vorbildlich: Sie kommt ohne die sonst so üblichen Verrenkungen aus, mit der Wohltaten für das unternehmerische Spitzenpersonal in der Regel dargereicht werden. Da haben sich halt zwei Ex-Eigentümer gefreut, dass sie mit ihrer Investition bei ProSiebenSat.1 einen Milliardenbetrag verdient haben. Und ihre Dankbarkeit banden sie dann in eigenem Ermessen locker an die irgendwie vorhandene Leistung des Managements. Sie hätten die 76,8 Millionen Euro natürlich auch an alle rund 3600 ProSiebenSat.1-Mitarbeiter verteilen können – weil die ja auch irgendwie am Erfolg des Konzerns beteiligt waren -, das wäre dann ein einmaliges Urlaubsgeld von über 20.000 Euro pro Person. Aber die Investoren haben sich anders entschieden. In seiner Klarheit ist dieser Sonderbonus wie gesagt eine wohltuende Ausnahme.

In der Regel wird nämlich eine ganze Batterie an Nebelkerzen gezündet, wenn es um die Entlohnung des Spitzenpersonals geht. Das Codewort lautet dabei “Incentivierung”. Dahinter versteckt sich die gleich in mehrerer Hinsicht irrige Vorstellung, dass sich die Leistung des Managements 1. vollständig zum Beispiel am Aktienkurs ablesen, 2. durch monetäre Anreize über das Normalmaß steigern und 3. auf einem echten Markt mit Angebot und Nachfrage einpreisen ließe.

Alle drei Ideen haben nichts mit der Realität zu tun, aber sie sind ungeheuer hilfreich, wenn es darum geht, größere Stücke vom Kuchen zu sichern. Es ist dann auch völlig egal, ob bei einer börsennotierten Aktiengesellschaft der Aufsichtsrat oder – wie von der Bundesregierung vorgesehen – die Hauptversammlung darüber entscheidet, was das Top-Management bekommt. Solange die Erzählung von der Incentivierung geglaubt wird, müssen sich Kritiker der Boni-Zahlungen vorhalten lassen, nur Neidhammel zu sein. Selbst hohe Boni stehen so unter dem Schutz der Tauschgerechtigkeit und der unterstellten Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung: ein gerechter Preis für die geleistete Arbeit. Denn hier regeln doch freie Akteure auf Augenhöhe ihre Angelegenheit selbständig. Und das Verteilungsergebnis ist ein Ergebnis der Freiheit (und der Leistungsbereitschaft) – und nicht des Zwangs.

Soweit die Theorie – oder besser: soweit das Denkmal von der Tausch- und Leistungsgerechtigkeit. Jetzt zur Realität: Zunächst einmal sind hier in der Regel nur “Agenten” am Werk, Vertreter von Eigentümern oder Investoren, Beauftragte und Entsandte mit ihren jeweils eigenen Ziel- und Wertvorstellungen. Sie sind eine der wenigen Berufsgruppen, die gleichzeitig ihre eigene Leistung bewerten und ihren Auftraggebern einen Preis dafür vorschlagen. Wenn das keine große Versuchung ist! Doch selbst wenn die Agenten tatsächlich nur im besten Sinne und Interesse ihrer Auftraggeber agierten, basieren viele “leistungsorientierte” Vergütungsvereinbarungen auf einem Irrglauben.

1. Der Aktienkurs eines Unternehmens gibt die Einschätzung der Anleger über dieses Unternehmen wieder. Das kann auch ein Indiz für die Leistungsbewertung des Managements sein. Vielleicht auch nicht. Wir wissen es nicht und deshalb sollte man keine teuren Entlohnungsmodelle daran knüpfen. Korrelation und Kausalität sind eben zweierlei.

2. In Hauptversammlungs-Prosa klingt die Incentivierung oft so überzeugend: “Der Vorstand ist überzeugt, dass die vorgeschlagene Ermächtigung zur Ausgabe von Performance Share Units [oder eine beliebige andere englische Bezeichnung für ein Belohnungsvehikel, das möglichst wenige durchschauen]…an Führungskräfte der Gesellschaft…in besonderem Maße geeignet ist, einen nachhaltigen Leistungsanreiz für die Führungskräfte…zu bewirken und damit im Interesse der Gesellschaft und ihrer Aktionäre zu einer dauerhaften und nachhaltigen Steigerung des Unternehmenswerts beizutragen.” Die Mehrzahl der wissenschaftlichen Studien zu diesem Thema sagt das Gegenteil: Boni motivieren nicht zu besserer Leistung. Manchmal ist sogar das Gegenteil der Fall – es werden bewusst übermäßige Risiken eingegangen, die das Unternehmen in Schieflage bringen können.

3. Und, nein, die aufgerufenen Preise für Manager sind keine Marktpreise, kein Knappheitsindikator. Es sind Kartellpreise. Deshalb müssen wir auch keinen Massen-Exodus talentierter Unternehmenslenker befürchten, wenn die Boni wegfielen oder es einen Deckel bei der Manager-Entlohnung gäbe. Oder wo sollen all diese Menschen hin, die jedes Jahr durch MBA-Kurse, High-Potential-Trainee-Programme und Top-Business-Schulen geschleust werden, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit? Mal ganz zu schweigen von den alten Platzhirschen – würden die wirklich auswandern, weil sie nur noch ein Festgehalt bekommen? Man weiß es ja nicht, aber sollte es wirklich mal ganz eng werden, könnte man ja sogar eine Frau für so einen Spitzenjob nehmen…

Die Debatte über Managergehälter, sie nervt inzwischen gewaltig mit ihrem Gejammer über die böse Gier. Es wird höchste Zeit, sie neu auszurichten, positiver. Denn natürlich möchte keiner liebgewonnene Besitzstände so einfach ersatzlos aufgeben, nur weil es vox populi (oder die Vernunft?) gebietet, zumal wenn sich der Gesetzgeber zurückhält. Ich hoffe deshalb, dass mich irgendwann eine Hauptversammlung mal mit diesem Tagesordnungspunkt überrascht: “TOP 8: Ermächtigung zur Ausgabe von Pralinen an die Führungskräfte der Gesellschaft, wahlweise eine Flasche Wein oder ein Blumenstrauß (je nach Saison).”

Axel Reimann, Autor in Hamburg, beschreibt in seinem Buch “Rindvieh-Ökonomie” (Gütersloher Verlagshaus, 2014), was passiert, wenn wir den Glauben an die Verteilungsgerechtigkeit der Wirtschaft verlieren. 

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