Wirklich mannhaft, Julia Jäkel
Die Vorstandsvorsitzende des Verlags Gruner+Jahr hat den Chefredakteur des „Stern“ geschasst. Und damit der deutschen Frauenbewegung einen großen Dienst erwiesen
Ach, was haben die Leute damals gelästert, als Sie vor zwei Jahren in den Vorstand des Verlagshauses Gruner+Jahr (G+J) aufrückten. Den Posten hätten Sie nur erhalten, weil sie an der Seite Ihres Gatten Ulrich Wickert so schön auf Society-Events glänzten, hieß es. Sie seien nur Vorstand geworden, weil sie bei den Bertelsmännern in Gütersloh so dauerhaft und schön antichambriert hätten, meinten böse Zungen. Sie hätten den Job nur bekommen, um im Auftrag von Bertelsmann-Chef Thomas Rabe G+J abzuwickeln, meinten Weitsichtige.
All diesen Übelmeinenden haben Sie es seitdem aber gehörig gezeigt, Julia Jäkel. Nun gut, es wirkte nicht sonderlich souverän, als Sie die hochdefizitäre „Financial Times Deutschland“ einstellten und bei der offiziellen Exitus-Erklärung vor deren gut 400 Mitarbeitern auf offener Bühne aufjaulten „ich kann das nicht“ und das Mikrophon einem Co-Vorstand weiterreichten. Aber das haben Sie ganz schnell wieder wett gemacht.
Zuerst ließen Sie den lästigen Doppelnamen in allen G+J-Formularen tilgen; jeder Hinweis auf den prominenten Gatten verschwand – jetzt war man endlich eigenständig. Dann wurden Sie Vorstandschefin. Ihre erste Amtshandlung: Sie feuerten Ihre bisherigen Co-Vorstände, auch denjenigen, der Ihnen ein paar Wochen zuvor auf offener Bühne den Allerwertesten gerettet hatte. Das nennt man wohl Arrondisierung der Macht.
Und nun haben Sie wieder gezeigt, dass Sie ein ganzer Kerl sind. Nach kaum mehr als einem Jahr Amtszeit haben Sie Dominik Wichmann, den Chefredakteur des Noch-G+J-Flaggschiffs „Stern“, gefeuert. Ihr Vorgänger hatte den Mann geholt und über Jahre aufgebaut – wohl wissend, dass es auch Jahre dauern wird, den Print-Tanker „Stern“ mit seiner eigenwilligen Crew in Zeiten der Digitalisierung wieder auf Kurs zu bringen.
Weshalb der Mann gehen musste, ist nicht ganz klar. Der „Stern“ war kaum weniger belanglos als in den zehn Jahren zuvor, sein Auflageschwund war eher geringer als beim Rest der Zeitschriftenbranche, wie der Branchendienst Meedia.de vorgerechnet hat. Sicherlich, der Rückgang bei den Anzeigen ist bedrohlich, aber dafür ist weniger der Chefredakteur als vielmehr der Verlag mit seiner Anzeigenakquise verantwortlich. Sagen wir es so: Dem Baukonzern Bilfinger ist es deutlich besser gelungen zu kommunizieren, weshalb er seinen Vormann Roland Koch geschasst hat, als es der Kommunikationskonzern G+J im Fall Wichmann hinbekam.
Wahrscheinlich weiß es nicht einmal Wichmann selber. Denn der erfuhr zuerst aus den Medien, dass er auf Ihrer Abschussliste steht. Und dummerweise nicht von Ihnen. Das war auch kein Versehen, sondern ist ein wesentliches Element Ihres Führungsstils, Frau Jäkel. So erging es den Redakteuren der „Financial Times Deutschland“, so erging es auch Peter Lewandowski, einem früheren Chefredakteur der People-Postille „Gala“. Die direkte Ansprache gehört nun einmal nicht zu Ihren Eigenschaften, Julia Jäkel.
Stören Sie sich nicht am Genöle irgendwelcher Gutmenschen, die meinen, so könne man nicht mit Mitarbeitern umspringen. Bleiben Sie sich vielmehr treu, Julia Jäkel. Erratisch, undurchschaubar, hinterfotzig – das sind Eigenschaften, die man bislang eher bei den Piechs, Wiedekings oder Großmanns der deutschen Wirtschaft vermutete. Sie aber haben bewiesen, dass eine Frau das auch sein kann. Und das ist mehr wert als jede Frauenquote.
Andreas Theyssen, Autor in Berlin, schreibt die OC-Kolumne „Mein Held der Woche“ jeden Freitag. Er war sieben Jahre Politikchef der G+J-Zeitung „Financial Times Deutschland“.
Rolf am 15. August 2014
Erbärmlich, provinziell und unprofessionell verhält sich Gruner + Jahr!
Ein "Welt-Unternehmen" - ich lach mich tot!
Der Stern ist unter Wichmanns Führung-wieder- erwachsen geworden, die Geschäftsleitung allerdings nicht!
Good luck
Ludwig am 15. August 2014
So was nennt man dann wohl Emanzipation, Frau Wickert - äh Verzeihung, Frau Jäkel.
Robert Franken am 18. August 2014
Es hat eine Weile gebraucht, bis ich mich dazu entschließen konnte mich dazu zu Wort zu melden. Denn auch ich habe einige Zeit für und bei Gruner + Jahr gearbeitet. Und über einen Ex-Arbeitgeber würde ich niemals so schreiben wie Andreas Theyssen hier im Beitrag. Nachkarten gehört sich imho einfach nicht.
In diesem Fall möchte ich jedoch wenigstens meine Ansicht kundtun, dass ich sowohl den Inhalt, als auch die Art und Weise, in der Andreas Theyssen sich in der Causa Wichmann zu Wort gemeldet hat, stillos finde. Möglicherweise ist da am Baumwall kommunikativ etwas nicht optimal gelaufen, vielleicht sogar mehr als das. Aber auf eine solche Art auszukeilen, geziemt sich aus mehreren Gründen nicht.
Zum einen kennt Herr Theyssen keine näheren Hintergründe, jedenfalls sind keine aus seinem Text ersichtlich. Hintergründe, die auch ich nicht kenne, weshalb ich mir keine objektive Meinung bilden kann.
Zum anderen, und das wiegt deutlich schwerer, hat der Autor ganz offensichtlich noch eine Rechnung mit seinem Ex-Arbeitgeber offen, die er nun zu begleichen trachtet.
Die Vorgänge um den abgesetzten Stern-Chefredakteur sind für Herrn Theyssen demnach nur ein Vorwand um seinen persönlichen Frust loszuweren. Das wird jedoch weder Herrn Wichmann noch Frau Jäkel (noch übrigens der Situation um die frühere Financial Times Deutschland) gerecht.
Stil ist nicht das Ende des Besens, Schweigen manchmal aber Gold.
Andreas Theyssen am 19. August 2014
Sehr geehrter Herr Franken,
wie sich nachlesen lässt, bin ich durchaus ein Freund steiler Thesen. Sie sollten allerdings auch halbwegs belegt sein.
Wo ist Ihr Beleg für meinen "persönlichen Frust"?
Mit Julia Jäkel hatte ich persönlich in meiner G+J-Zeit exakt dreimal zu tun; diese drei Mal verliefen absolut konstruktiv. Dass sie mit der FTD ein Blatt eingestellt hat, dass 13 Jahre lang nur Verluste eingefahren hat, ist unternehmerisch absolut nachvollziehbar. Die FTD-Mitarbeiter wurden von G+J in der Regel fair abgefunden; ich zählte dazu.
Wo also sollte der persönliche Frust sein? Es geht in dem Text alleine darum, wie Julia Jäkel mit leitenden Mitarbeitern ihres Hauses umgeht - und nicht um persönliche Abrechnungen, für die es nicht einmal den geringsten Grund gibt.
Robert Franken am 19. August 2014
Sehr geehrter Herr Theyssen,
zunächst einmal bedanke ich mich für Ihre Antwort auf meinen Kommentar.
"Persönlicher Frust" war (und bleibt) meine Interpretation Ihrer Ausführungen unter Berücksichtigung von Wortwahl und Argumentationsführung. Wenn dem nicht so sein sollte, dann freut mich das für Sie.
Steile Thesen immer gerne, in diesem Fall war sie in meinen Augen deutlich zu steil. Aber es heißt ja auch "Opinion Club". Dennoch muss auch eine Meinung nicht unbedingt immer klischeehaft, teilweise sexistisch und überheblich (hier zitiere ich indirekt Dritte) daherkommen.
Ich bin selbst ein großer Freund überspitzter und/oder provokanter Äußerungen; in diesem Fall ging das aus den genannten Gründen zu weit. Und mein Hauptargument lautete schließlich: Nachkarten gehört sich nicht. Aber das muss in der Tat jeder für sich entscheiden.
Rolf am 19. August 2014
Lieber Herr Franken,
was ist also Ihre Alternative?
Auf ewig den Mund halten oder nur Gutes berichten oder schleimen und heucheln?
Ich sag Ihnen was: Offenheit + Wahrhaftigkeit - das sind die einzig legitimen Waffen!
Erst recht in einem "Opinion-Club"!
Beste Grüße
Rolf
Robert Franken am 19. August 2014
Lieber Rolf,
Sie sprechen von "Offenheit und Wahrhaftigkeit" und geben Ihre Identität nicht preis. Wie verträgt sich das mit Ihrem Anspruch?
Sie bezeichnen "schleimen und heucheln" als das Gegenteil einseitiger Stellungnahme? Ich wähne hier noch ein Spektrum.
Sie wollen meinen Punkt nicht verstehen. Dieser lautet: Über Ex-Arbeitgeber hält man imho(!) mit seiner Meinung dann - und genau dann - besser hinter dem Berg, wenn man nicht alle Fakten kennt.
Beste Grüße
Robert Franken
Andreas Theyssen am 19. August 2014
Sehr geehrter Herr Franken,
Ihre Forderung, nicht über ehemalige Arbeitgeber zu schreiben, hat einen kleinen Haken: Sie diskriminiert Jobhopper und/oder Autoren mit etlichen Berufsjahren. Nur eine kleine Auswahl der Themen, über die ich nach Ihrer Meinung nicht mehr schreiben dürfte: Bundeswehr, Volksrepublik China, Malaysia, Freistaat Bayern, FDP, Burda, Rheinische Post Verlagsgesellschaft, Jahreszeiten-Verlag, Süddeutscher Verlag und noch einige andere Themen.
Selbstverständlich lässt sich das Problem lösen: Man lässt nur noch Volontäre berichten oder kommentieren; die sind in der Regel von Ex-Arbeitgebern unbelastet.
Zu Ihrer Behauptung, ich würde nicht alle Fakten kennen: Wenn Sie sich recht entsinnen, habe ich mich nicht über Sinn oder Unsinn von Entlassungen ausgelassen, sondern ausschließlich über die Art und Weise, wie G+J dies in der Ära Jäkel den Betroffenen mitzuteilen pflegt. Und in diesem Punkt kenne ich alle Fakten. Auch für Kommentare muss man gelegentlich recherchieren.
Viele Grüße
Robert Franken am 20. August 2014
Sehr geehrter Herr Theyssen,
Sie schrieben doch nicht als Journalist im Auftrag z.B. einer Tageszeitung über G+J, sondern in einem reinen Meinungsstück , in dem Sie sich einmal richtig ausko..... Letzteres sei Ihnen ja gegönnt, nur hielt ich es für angebracht in diesem Falle (m)eine Meinung beizusteuern, die die Art und Weise aus Gründen eben nicht gutheißt.
Neutrale, gut recherchierte und meinungs_bildende_ Artikel sind immer willkommen, auch zu o.g. Ex-Arbeitgebern, nie behauptete ich anderes.
Beste Grüße, RF
Rolf am 25. August 2014
http://www.sueddeutsche.de/karriere/kuendigung-auf-die-sanfte-tour-feste-druecken-seufzen-entsorgen-1.2097154
Wolfgang Ströbele am 26. August 2014
Ein ganz erbärmlicher Kommentar Herr Franken
Allan am 27. August 2014
Und hier die nächste Runde:
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/gruner-jahr-streicht-400-stellen-13119544.html
Mara am 27. November 2014
Wenig damenhaft, Herr Franken!
"Sie aber haben bewiesen, dass eine Frau das auch sein kann. Und das ist mehr wert als jede Frauenquote."
Am Schluss fehlten dann die wohl guten Argumente, aber es war leider noch Platz in der Kommentarfunktion.
Wenigstens warnte der Titel schon vor dem nun folgenden mannhaftem Schreibstil.
Ein guter Kommentar kommt m.E. nach auch ohne diesen schlechten geschlechterspezifischen Fokus aus. Wenn dem nicht so ist, möchte ich meinem Kommentar noch Folgendes zur freien Auswahl hinzufügen:
- da fühlt sich der Mann wohl seiner Männlichkeit verletzt
- eine starke Frau macht schwachen Männern eben Angst
- gegen eine Frau verlieren tut doppelt weh
- blablaba....
Noch mehr Allgemeinplätze nötig, um zu zeigen wie wenig gut gewählt Ihr Ansatz ist ? Und wenn Sie es nur für die Männerquote tun, schreiben sie ruhig ein wenig frauhafter. Das ist dann wirklich mehr wert als jede Frauenquote.
Mara
Andreas Theyssen am 28. November 2014
Selbstverständlich wäre der Kommentar auch ohne den Verweis auf die Frauenquote ausgekommen. Nur: Eines der Argumente für eine Frauenquote ist, dass durch mehr Frauen in Führungspositionen das Miteinander in Unternehmen besser, da emphatischer werde. Dass dies nicht zwingend sein muss, hat JJ belegt. Und was dies für Auswirkungen hat, kann man beispielsweise hier lesen: http://www.newsroom.de/news/detail/$IWDPGQGOEKIM/frau_jkel_ich_finde_das_alles_sollten_sie_wissen