Dem Chefredakteur keine Chance
Wichmann, Quoos und Büchner, die Chefs von „Stern“, „Focus“ und „Spiegel“, haben alle Fehler gemacht. Gescheitert sind sie aber nicht allein an sich selbst, sondern an mutlosen Vorständen und egoistischen Kollegen im eigenen Haus
Aller guten Dinge sind drei. Und zugleich auch ganz schlecht. Dass das neuerdings zusammenpasst, zeigen die Querelen um Dominik Wichmann, Jörg Quoos und Wolfgang Büchner. Sie wurden bei ihrem Start bei „Stern“, „Focus“ und „Spiegel“ als „genau der Richtige“ für den Job begrüßt und dank Vorschusslorberen aus berufenen Mündern in den Rang einer göttlichen Lichtgestalt erhoben – um nach wenigen Monaten von Vorstand und Teilen ihrer Redaktion als Leibhaftige enttarnt und gebrandmarkt zu werden. Wichmann und Quoos wurden ins Fegefeuer geschickt, begleitet von Lobgesängen, deren Komponisten entweder unter Realitätsverlust leiden oder verlogen sind. Vermutlich ist es ein Mix aus beidem.
„Wir danken einem exzellenten Journalisten für seine hervorragende Arbeit“, ließ Burda-Vorstand Philipp Welte die Menschheit wissen, wie sehr er Quoos (angeblich) schätzt. „Dominik Wichmann wird Gruner + Jahr und den ,Stern‘ mit bester Reputation verlassen“, begleitete House-of-Content-Chefin Julia Jäkel den Rauswurf des Chefredakteurs. Nette Worte. Aber warum wurden Quoos und Wichmann überhaupt gefeuert, wenn sie solch herausragende Fachkräfte sind?
Erinnern wir uns: Büchner ist noch vor einem Jahr als kongenialer Redaktionsmanager gefeiert worden, der den „Spiegel“ in die digitale Zukunft führen wird, so wie er es mit der dpa getan hat. Quoos als mordsmäßig verdrahteter und erstklassiger Handwerker, der die kuschelige „Bild“-Zeitung verließ und auszog, das Himmelfahrtskommando namens „Focus“ zu befehligen. Und Wichmann als Visonär, der zeigen wird, dass ein im Untergang begriffener „Stern“ wieder zum Leuchten gebracht werden kann – und damit der gesamten Branche das Licht der Hoffnung bringt. Tragisch ist: Diese Zuschreibungen trafen und treffen immer noch zu. Nur brachte das den drei Herren nicht nur Lob und Anerkennung im eigenen Laden, sondern auch Anfeindungen bis hin zu offenem Hass.
Wichmann, Quoos und Büchner wird mieser Führungsstil attestiert. Sie hätten ihre Leute „nicht genügend abgeholt und mitgenommen“, heißt es unisono, als seien sie nicht als Chefredakteure geholt worden, sondern als Kita-Leiter. Natürlich ist das Abholen und Mitnehmen wichtig. Das setzt allerdings dringend ein hohes Maß an Bereitschaft voraus, sich abholen zu lassen und nicht Reformvorschläge und Kritik am Ist-Zustand als Angriff auf die eigene Person zu verstehen und mit innerem oder äußeren Rückzug und gar Boykott des Chefs zu reagieren. Motto: Stell meinetwegen hier alles auf den Kopf, Hauptsache ist, ich bin nicht davon betroffen.
Gar keine Frage, Wichmann, Quoos und Büchner haben gravierende Fehler gemacht. Ihr Hang, vieles bis alles an sich zu reißen und schlecht bis gar nicht zu kommunizieren, signalisiert: Ich traue euch nicht, ihr könnt das nicht. Doch dass ein Klima überhaupt entsteht, in dem solche Gedanken wuchern, ist nicht allein Sache des Chefredakteurs. Der Fisch stinkt vom Kopf, aber später auch am Schwanz. Wichmann, Quoos und Büchner haben einige Leute abgesägt, die sie als ärgste Widersacher ihres Kurses ausmachten. Zur Stimmungsaufhellung trägt das nicht bei. Doch hätten sie tatenlos zugeschaut, wäre ihnen Führungsschwäche bescheinigt worden. Man kann es eben niemandem rechtmachen.
Büchner ist angetreten, die starren Fronten zwischen Online und Print aufzuweichen. Immerhin hat er es geschafft, die Kollegen der Printredaktion, nicht wirklich ein Hort kollegialer Geschlossenheit, zusammenzuschweißen – zu einem Abwehrbollwerk gegen ihn. In einer zweimonatigen Gnadenfrist, die ihm Freund und Feind gewähren, darf er für sein Konzept „Spiegel 3.0“ werben. In der Zeit soll/darf Büchner kein Blatt machen, was ihm recht sein wird. Seine Stärke ist das nicht, so wie er auch kein begnadeter Schreiber und Debattenanschieber ist. Doch das wussten die „Spiegel“-Printredaktion und die berühmt-berüchtigte Mitarbeiter KG auch schon vor einem Jahr. Büchner war von Anfang an geholt worden, das Magazin ins digitale Zeitalter zu führen. Nun macht er genau das, stößt auf erbitterten Widerstand und verteidigt sich mit nicht minder fiesen Mitteln.
Quoos hat wie ein Wahnsinniger gerackert und dafür gesorgt, dass der „Focus“ manchen Scoop landete. In Teilen der Redaktion wurde dennoch fortwährend gemäkelt, er raube dem „Focus“ die Seele, sei beratungsresistent und alles andere als ein Teamplayer. Während der „Spiegel“ leidenschaftlich über die Zusammenlegung von Print und Online streitet, produziert Focus Online „Bullshit im Sekundentakt“ (Bildblog.de) und versaut das Rest-Image des Print-„Focus“. Auf die Idee, den Focus-Erscheinungstag auf Samstag zu verlegen, ist der Burda-Vorstand mit Sicherheit auch schon gekommen. Doch dazu fehlen der Mut und der Glauben an die Zukunft des eigenen Produkts. Der Verlag agiert eben gerne halbherzig. Der Streit um den Plan, den „Focus“ nach Berlin umziehen zu lassen, endete mit einem Kompromiss, mit dem niemand geholfen ist. Quoos brachte er lediglich den Vorwurf ein, er wolle zu Frau und Kindern nach Berlin.
Wichmann hatte tatsächlich einen Plan, wohin er den „Stern“ führen will. Eine Auflagenexplosion hat er nie versprochen. Dass der digitale Auftritt des „Stern“ immer noch nicht runderneuert ist, hat auch jede Menge mit der veralteten Grotten-Technik zu tun, mit der bei Gruner + Jahr digital gearbeitet wird und deren Modernisierung immer wieder aufgeschoben wurde. Wichmann zu feuern, weil er seine Vision des „Stern“ der Zukunft nicht mit 30 oder 50 Leuten weniger umsetzen wollte und nicht alle Redakteure hinter sich gebracht hat – das ist traurig.
Statt sie zu stützen, ihnen Zeit zu geben und zu investieren, lassen Verlagsvorstände Chefredakteure fallen, die auf ihre Weise erstklassige Journalisten sind. Sie sollten unter gewaltigem Spardruck Auflagen halten oder gerne auch steigern, was gerade im General-Interest-Bereich unmöglich ist. Dabei verkehrt sich die Medienwelt ins Gegenteil. Chefredakteure sollen Leser journalistisch überzeugen. Topmanager der Branche sollen für Vertriebserlöse sorgen. Doch solange die nicht wissen, wie sie ihre Produkte im Internet verkaufen, werden sie weiter Chefredakteure dafür büßen lassen, dass es läuft, wie es läuft.
Thomas Schmoll, Autor in Berlin, arbeitete unter anderem für die Nachrichtenagenturen AP und Reuters, die „Financial Times Deutschland“ und die Website stern.de