Warum die SPD der Linkspartei zur Macht verhelfen muss
Die SPD sollte nach der Thüringenwahl unbedingt die Möglichkeiten austesten, die eine engere Zusammenarbeit mit der Linkspartei bietet. Das könnte sich als der Weg aus der Sackgasse Große Koalition erweisen und die Politik in Deutschland wieder interessanter machen
Nach der Thüringen-Wahl wird nun intensiv diskutiert werden, ob die Sozialdemokraten erstmals einen Politiker der Linken zum Ministerpräsidenten machen sollen. Wieso eigentlich? Eine bessere Gelegenheit, die Bewegung in der deutschen Parteienlandschaft zu nutzen, wird sich der SPD auf absehbare Zeit wohl nicht bieten. Sie wird diesen Weg gehen müssen, trotz Zwangsvereinigung der SPD zur Vorgängerpartei SED, trotz der vielen Wunden, die die Gründung der Linkspartei in die Organisation der SPD geschlagen hat, und trotz des über lange Jahre aufrecht erhaltenen, aber vergebenen Strebens, den linken Konkurrenten durch Ignorieren möglichst klein zu halten.
Mit Bodo Ramelow würden die Thüringer Sozialdemokraten zwar einem gebürtigen Westler zur Macht verhelfen, aber keinem West-Linken: Durch wirre Reden etwa ist Ramelow bislang nicht eben aufgefallen. In Thüringen käme er zudem in einem Land ins Amt, das kaum Einfluss auf die Brocken hat, die SPD und Linke wirklich trennen: Sicherheits- und Sozialpolitik. Ideale Bedingungen für das, was man in der Informatik eine Sandbox nennen würde.
Die Risiken, dass dieser Mann in diesem Land ein Polit-Experiment Dunkelrot-Rot(-Grün) vor die Wand fährt, sind überschaubar. Man könnte auch sagen: So großen Schaden kann der doch gar nicht anrichten. Aber Ramelow könnte belegen, dass er Spitzenkraft einer Partei ist, die sich eben nicht über das Dagegensein definiert, sondern Politik mitgestalten kann, weil sie Politik mitgestalten will. Und das unter dem ständigen Spardiktats eines wirtschaftlich nicht eben gesegneten Landes. So wie in Brandenburg, wo das unter Führung der SPD schon lange so ist. Und wie es auf kommunaler Ebene längst Gang und Gäbe ist, zumindest im Osten.
Im Willy-Brand-Haus können sie nur hoffen, dass es auch in Thüringen gelingt. Die Berliner Parteizentrale sollte darauf hinwirken, eine so gute Gelegenheit zu einem so guten Zeitpunkt nicht vorbeiziehen zu lassen. Die nächste Bundestagswahl und auch die wichtigen Landtagswahlen sind zeitlich so weit entfernt, dass sich die absehbare Aufregung in der Öffentlichkeit nach der Wahl eines Linken zum Regierungschef bis dahin gelegt haben wird.
Spätestens mit dem an diesem Wahlsonntag erneut bestätigten Ausfall der Liberalen als politischer Kraft ist die SPD-Führung geradezu gezwungen, sich nach anderen politischen Bündnispartnern umzusehen, um Mehrheiten zu organisieren. So kraftstrotzend sind die Grünen nicht mehr, dass diese eine Partei als Koalitionspartner ausreichen würden – und zwar auf absehbare Zeit.
An wen also sollte sich die SPD denn wenden außer an die Linkspartei, wenn sie dem Klammergriff der sozialdemokratisierten CDU und der Schwarzen Witwe Angela Merkel entfleuchen will? Denn fest steht: Als Dauerjunior einer Großen Koalition wird sie niemals so viele Stimmen sammeln, dass sie ihrem Anspruch als Volkspartei wieder gerecht werden kann. Für die Union übrigens, auch das ein Ergebnis der Wahl, böte sich dann die Gelegenheit, ihr Verhältnis zum neuen Konkurrenten von der anderen Seite des politischen Spektrums zu klären: zur AfD. Bis Baden-Württemberg 2016 wählt, wäre Zeit dazu.
Kai Makus, Autor im Peiner Land, arbeitete unter anderem lange bei der Wirtschaftszeitung “Financial Times Deutschland”, etwa als Chef von Dienst ihrer Website ftd.de .