Der absolute Abknaller, Stepan Poltorak

Von Andreas Theyssen am 30. Januar 2015

Der ukrainische Verteidigungsminister muss sich eines übermächtigen Gegners erwehren. Dabei entwickelt er eine erstaunliche Kreativität

Einfach haben Sie es wirklich nicht, Stepan Poltorak. Da denkt man, man müsse nur ein paar Aufmüpfige mit Jagdgewehren und Beute-Kalaschnikows zur Raison bringen. Und dann entdeckt man, dass hinter ihnen eine veritable Atommacht steht. Noch dazu die größte. Noch dazu eine, deren Panzer und Raketenwerfer sich gerne mal verfahren und in der Ostukraine landen. Und deren Soldaten am liebsten Abenteuerurlaub im Donbass machen.

So schwierig ist Ihr Job, dass Sie im postrevolutionären Kiew schon der vierte Verteidigungsminister binnen eines Jahres sind. Aber dass Sie der richtige sind, das haben Sie jetzt bewiesen: indem Sie Abschussprämien auslobten. 2400 Euro sollen Ihre Soldaten künftig für jeden zerstörten Gegner-Panzer erhalten, für ein abgeschossenes Flugzeug sogar 6000 Euro.

Zugegeben, wir hatten da zunächst ein paar Bedenken. Zivilisatorische zum Beispiel. Abschussprämie klingt irgendwie nach Kopfgeld, was ein wenig aus der Zeit gefallen wirkt, seitdem in unserem Kulturkreis eigentlich nur noch Wildwest-Washington bei der Al-Kaida-Jagd so etwas auslobt.

Wir hatten aber auch grundsätzliche Bedenken. Ein Soldat erhält einen Sold und dafür hat er seine Waffen zu benutzen, die ihm sein Dienstherr gibt. Ihm darüber hinaus einen Bonus zu versprechen, wäre dann so, als erhielte der Supermarktkassierer für jeden eingescannten Artikel auch noch eine Prämie.

Wie bei der Drückerkolonne
Aber dann erfuhren wir, dass es in der ukrainischen Armee nicht unbedingt üblich ist, Soldaten auch pünktlich ihren Sold zu zahlen. Dass es nicht einmal üblich ist, kämpfende Verbände ausreichend mit Waffen und Munition zu versorgen. Unter solchen Bedingungen kommt so eine Abknaller-Prämie natürlich goldrichtig.

Vor allem fasziniert uns Ihr Finanzierungsmodell, Generaloberst Poltorak. Der Sold wird nicht ausgezahlt, sondern zentral gesammelt. Aber wenn ein Soldat einen Panzer abschießt, erhält er sofort die Prämie. Also das Geld, das ihm ohnehin zusteht. Aber das kennen wir bei uns auch. Nennt sich Incentive und wird gerne in Form von Dupont-Feuerzeugen bei Drückerkolonnen angewandt.

Nun sind wir gespannt. Darauf, was Sie sich einfallen lassen, wenn Ihre Soldaten hinter diesen Trick kommen. Oder wenn überraschenderweise nennenswerte Erfolge ihrer 240.000-Mann-Truppe im Kampf gegen die ostukrainisch-russische Eine-Millionen-Mann-Armee ausbleiben sollten.

Wir haben da so eine Ahnung. Wenn alle Stricke reißen, werden Sie bestimmt einen besonderen Bonus ausloben: Jeden Quadratmeter Land, den Ihre Soldaten den Separatisten entreißen, dürfen sie behalten. Oder zumindest die Hälfte davon. Oder so.

Andreas Theyssen, Autor in Berlin, schreibt die OC-Kolumne „Mein Held der Woche“ jeden Freitag.

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maSu am 30. Januar 2015

Ist doch simpel: Kann der Soldat seine Familie nicht mehr ernähren, dann steht er vor der Wahl: Die liebsten hungern lassen oder einen Panzer abschießen. Das "motiviert". Schade dass man bei dem "Kopfgeld" daran gedacht hat, es auf gegnerische Panzer zu beschränken :/