Kein Verkehr mit dem Abschleppseil!
Dank „Fifty Shades of Grey“ kann niemand mehr im Baumarkt einkaufen, ohne unter Sex-Generalverdacht zu kommen. Ein Plädoyer für die Unschuld des Kabelbinders
Der Soft-Sado-Maso-Film „Fifty Shades of Grey“ kommt in die Kinos – und macht schon im Vorfeld die britischen Baumärkte ganz wuschig. In Erwartung einer überschäumenden Fessellust der britischen Bevölkerung bereiten sich die Baumärkte auf Kunden vor, die Klebeband künftig zum Spielen und nicht mehr zum Basteln benutzen wollen.
Die armen Mitarbeiter der Baumarktkette B&Q, so berichtet die britische Boulevardpresse, müssen nun zur Vorbereitung den Film sehen oder die Bücher lesen. Alleine das zählt schon zur harten Kategorie der Unterwerfungsspielchen und verlangt nach einer Lohnerhöhung. Nun müssen die Angestellten auch noch Kunden sensibel und kompetent beraten, welcher zum Knebel zweckentfremdete Stoff am wenigsten fusselt oder welches Seil noch genug Blutzirkulation zulässt.
Vorbei ist es mit der Unschuld der Kabelbinder. Wieder wurde ein Gegenstand des alltäglichen Lebens seiner Identität beraubt und in die Schmuddelecke gezogen. Es ist wirklich traurig. Kennen Sie noch die Werbeszene mit Hella von Sinnen, die den halben Supermarkt zusammenschrie: „Tina, wat kosten die Kondome?!“ Einen ähnlichen Effekt dürfte nun haben, wenn es künftig im britischen Baumarkt an der Kasse schallt: „Was kostet die Dreierpackung extrareissfestes Klebeband?“
Roter Kopf an der Kasse
Sofort wird man verdächtigt, mit den Sachen im Einkaufswagen nicht seine Wohnung, sondern sein Sexleben renovieren zu wollen. Mit hochrotem Kopf bezahlt man und sieht beim Rausgehen noch den Kunden hinter sich grinsen, der einem mit der extralangen Bambusstange (für die Blumen!) nachwinkt.
Es ist ja nicht das erste Mal, dass so etwas passiert. Ähnlich muss es damals gewesen sein, als der Film „9 1/2 Wochen“ ins Kino kam. Schlagsahne, Honig und andere flüssige Lebensmittel, die sich nur irgendwie adrett im Bauchnabel hätten machen können, gerieten plötzlich unter Generalverdacht. Von den Gurken, Zucchini und Möhren, denen man im Biounterricht zwangsweise ein Kondom überrollen musste, reden wir hier gar nicht. Zu tief sitzt die Scham, die man danach erdulden musste, wenn die Mutter einem den Tag danach ahnungslos ein Möhrchen in die Brotbox legte.
Spätestens seit der Serie „Breaking Bad“ kann man auch nicht mehr in die Apotheke gehen, ohne beim Kauf von Hustensäften mit Ephidrin als potenzieller Meth-Kocher verdächtigt zu werden. Dabei wollte man nachts einfach nur wieder ohne Husten durchschlafen.
Im Prinzip bleibt für den entspannten Kauf von potenziell verfänglichen Artikeln nur noch der Onlineversand. Beate Uhse macht das ja seit Jahren so mit, nun ja, echten Sexartikeln. Nun nutzt man das Prinzip eben für Kabelbinder und Co. Damit man sein Abschleppseil wirklich nur für den Autoverkehr kaufen kann, ohne sich um die schäumende Fantasie perverser Mitbürger Gedanken machen zu müssen.
Angelika Dehmel, Autorin in Den Haag, hat sich dem „Fifty Shades of Grey“-Kult beharrlich entzogen. Aber Mohrrüben im Supermarkt kann sie heute immer noch nicht kaufen.
maSu am 12. Februar 2015
Man kann auch einfach Dinge einkaufen ohne Rot zu werden, dann denkt auch niemand an SexSpielzeug, wenn sie ihren Winkelschleifer auf das Band legen ....
cottontail am 12. Februar 2015
Liebe Frau Dehmel, okayokay, ich könnte jetzt im Baumarkt rot werden. Ich frage mich statt dessen: Nach Monaten meldet sich beim Opinion Club mal eine Frau zu Wort - wie bewerten Sie den Film denn aus feministischer Sicht? Bin beileibe nicht dogmatisch oder verbissen in diesen Dingen, aber das würde mich als gesellschaftskritische Leserin dieses Forums mindestens genauso sehr interessieren wie das (wenn auch augenzwinkernde) Plädoyer zur Rehabilitation des Kabelbinders. Nichts für ungut und beste Grüße von cottontail
Zaunkoenigin am 12. Februar 2015
Ach Gottchen ... dachte ich beim Lesen. Ich dachte immer die Briten wären uns um Nasenlängen voraus .. hach ja. Aber, eine Glosse ist eine Glosse .... ist eine Glosse ;-).
Nun denn.
Ich hätte ja nie gedacht, dass ich so schnell auch auf sexueller Ebene den Finger mit den Worten "es war einmal .. 14/18.. in meiner Jugend.. " erheben werde. Aber nun tue ich es. Ich bin wild entschlossen.
Vor noch nicht allzulanger Zeit gab es noch den Kuppeleiparagraphen, die Pille wurde nur von fortschrittlichen Gynäkologen an unverheiratete Frauen verschrieben (und noch fortschrittlicher war er, wenn die junge Dame U18 wahr), Vibratoren fleischfarben aussahen ... und bei Quelle und Otto-Versand als Gesundheitsmassage angeboten wurden und Kondome entweder in Schmuddelläden, der Apotheke oder ganz versteckt in Drogerieabteilungen von Supermärkten zu bekommen waren. Gleichgültig wo man die Päckchen kaufte, man lies sie sich diskret verpacken. Ganz dumpf erinnere ich mich auch daran, dass es so manchem Mann peinlich war, seiner Liebsten vom Einkauf Monatshygieneartikel mitzubringen. Da half auch nicht der Slogan "wer 2x mit der Gleichen pennt ... " Die Realität im bürgerlich-ländlichen Bereich sah anders aus.
Sodele, soviel zum "es war einmal". (zum Glück)
Heute liegen die Kondome an der Supermarktkasse aus und werden in verschiedenen Farben und Geschmacksrichtungen angepriesen (was meinen Sie, was vor 30 Jahren los gewesen wäre, wenn man Kondome mit Erdbeergeschmack angeboten hätte? Die Menschheit hätte schwer gegrübelt :-) ). Die Pille wird bei Bedarf auch jungen Mädchen verschrieben, Strapse sind ein Modeassesoir mit erotischem Hauch und für Vibratoren und sonstiges Sexspielzeug wird neuerdings sogar im TV Werbung gemacht. Swingerclubs und Erotik-Dating-Portale sind schon länger gesellschaftsfähig geworden. Auch hier dürfen wir mehr oder weniger ansprechende Werbung genießen (und nein, ich spreche nicht von der "Ruf-mich-an-"-Werbung)
Wir bewegen uns doch schon seit Jahren in einer Welt in der das Spiel mit dem Sex. Das kann man gut oder schlecht finden, es führt aber ganz sicher dazu, dass in Deutschland niemand darüber nachdenkt was Sie mit dem Seil machen, dass sie gerade ganz gefühlvoll durch die Finger gleiten lassen bevor sie es auf das Laufband an der Kasse legen. Den Menschen fehlt einfach dank Overflow die Fantasie dazu. Abgesehen davon, dass Plüschhandschellen auch schon seit Jahrzehnten sogar bei Quelle und Co angeboten wurden.
====> und ab in den Schaukelstuhl. ;-)
PS: ich fand ihn amüsant.. Ihren Artikel. Und nicht alles muss bierernst betrachtet werden. Wobei das von cottontail sicherlich auch ein spannendes Thema wäre. (männlicher Besuch wäre ihnen von der Abteilung "Männeremanzipation" gewiss ;-) )