Deutsch-griechische Brückenbauer mit Presslufthämmern

Von Thomas Schmoll am 20. Februar 2015

Wolfgang Schäuble ist zurecht genervt von der Selbstherrlichkeit der neuen Athener Regierung. Traurig für Europa, dass er sich nun selbst auf dieses Niveau begeben hat – und so den Grexit forciert

Vielleicht sind Alexis Tsipras und Yanis Varoufakis so etwas wie politische Genies. Vielleicht war von Anfang an ihr Ziel, die Europartner zur Weißglut zu bringen, um die Zustimmung der Bevölkerung noch über das Wahlergebnis für Syriza zu treiben –  und dann ihr Land mittels rasanter Reformen zu modernisieren. Bisher allerdings sind der griechische Ministerpräsident und sein Finanzminister vor allem als selbstherrliche Poltererer ohne Krawatte und jedes diplomatische Geschick aufgefallen. Ihre ersten Wochen waren niveauarm und dazu geeignet, alle Sympathien zu verspielen.

Anfangs schauten Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble dem seltsamen Treiben der Kollegen aus Griechenland verwundert, aber geduldig und freundlich zu. Nachdem die Athener Regierung allerdings jeden Tag eine neue Sau durch Europa trieb – mal war es der Wunsch nach Ewigkeitsanleihen, dann wieder die Andeutung, Russland zum Partner zu erklären -, ohne konkrete Vorschläge zu machen, brannte bei Schäuble die erste kleine Sicherung durch: „Dann war’s das eben, dann ist es vorbei“, drohte er den Griechen mit Rausschmiss aus der Eurozone, der rechtlich gar nicht möglich ist.

Der deutsche Finanzminister erhielt geschlossene Unterstützung für seine Position, was daran lag, dass Varoufakis weiterhin über einen Schuldenschnitt und das Zurückdrehen von Reformen redete, ohne je konkret zu werden, was er genau will und was nicht. Tsipras orakelte obendrein permanent über eine Win-win-Situation für ganz Europa, ohne dass klar wurde, was zum Beispiel Deutschland von seiner nicht näher erläuterten Vision hätte.

Schäuble legte – schon deutlich genervter – nach: Griechenland müsse sich entscheiden, ob es das Kreditprogramm inklusive der zugesagten Reformen wolle oder nicht. „Am 28., 24.00 Uhr, is over“, formulierte er ein Ultimatum. Die übrigen Eurostaaten standen geschlossen hinter Deutschland, weil Varoufakis zunächst auf seinen Forderungen ohne Abstriche beharrte. Zwei Tage später bat er für Griechenland um Verlängerung des Hilfsprogramms und bewegte sich in erkennbaren Schritten auf Schäuble zu.

Spieß mal soeben rumgedreht

Doch nun drehte der deutsche Sparkommissar den Spieß rum und forderte von Varoufakis: Friss oder stirb! Schäuble hatte den Brief inhaltlich prüfen lassen. Seine Fachleute kamen zu dem Schluss, es handele sich um die – wenn auch geschickt verpackten – Maximalforderungen Griechenlands. Über seinen Sprecher Martin Jäger ließ er das Papier mit gerade einmal drei kurzen Sätzen zurückweisen. Harter Tobak. Die Regierung in Athen keilte in Friss-oder-stirb-Manier zurück. Sie versucht einmal mehr, besonders clever zu sein: Die Euro-Finanzminister könnten am Freitag den Verhandlungsvorschlag  „annehmen oder ablehnen. Dann wird sich zeigen, wer eine Lösung will und wer nicht.“

Das ist eine für Athen typische Vereinfachung der Lage. Schäuble hat gute Gründe, das Papier abzulehnen. Denn seine Vermutung, das Schriftstück sei ein Trick, ein „Trojanisches Pferd“, um ohne Gegenleistung an frische Milliarden aus den Rettungstöpfen zu kommen, ist nicht von der Hand zu weisen. Allein die von Varoufakis versprochene Anerkennung der „finanziellen und prozeduralen“ Vereinbarungen heißt alles und nichts. Das Gefeilsche ginge weiter, Griechenland hätte das Geld, ohne wohl jemals in der Pflicht zu sein zu liefern.

Allein diese Formulierung erweckt den Eindruck einer Trickserei. Aber auch die Verschiebung eines für diese Woche angekündigten Gesetzentwurfs zu einem Steuererlass erzeugt Misstrauen. Offenbar wollte Athen den Rest Europas nicht mit der Botschaft verprellen, trotz fast leerer Staatskasse umstrittene Wahlversprechen einzulösen. Mittellose Bürger, die dem Staat 200 Euro ihrer Ausstände zahlen, soll die Hälfte der übrigen Schulden erlassen werden können. Ein netter, aber teurer Zug für ein Land, das kein Geld hat und mit marginaler Steuermoral. Und was ist mit den Oligarchen?

So kommt es nun am Freitag in Brüssel in einem giftigen Klima des gegenseitigen Misstrauens zum x-ten Showdown in der griechischen Tragödie. Regierungen, die sich gegenseitig Solidarität versprechen und zusichern, dem anderen eine Brücke zur Einigung zu bauen, schreiten mit dem Presslufthammer zur Tat. Nachdem Europa tagelang mutmaßte, was die Griechen wollen und was sie dafür zu geben bereit sind, gibt nun Schäuble Rätsel auf. Was möchte er? Hat er erkannt, dass Hellas ein Fass ohne Boden ist und will das Land aus der Eurozone drängen? Sorgt er sich, dass in Spanien ebenfalls unberechenbare Linke an die Macht kommen und die Währungsunion als Ganzes gefährden? Will der Deutsche an den Griechen ein Exempel statuieren?

Das plötzlich diese Fragen gestellt werden (müssen), ist allein Schäubles überhastetes und brüskes Zurückweisen des Briefes aus Athen zu verdanken. Das war so undiplomatisch und fehl am Platze, wie man es von Varoufakis gewohnt ist. Die konkrete Ausformulierung muss schließlich so oder so ausgehandelt werden. Wenn in den Gesprächen nichts geht, kann Schäuble immer noch nein sagen. Es geht um 7,2 Milliarden Euro. Gemessen an der gesamten Hilfssumme von 240 Milliarden Euro für Griechenland ist das ein kleiner Betrag. Aber er würde der Regierung die Chance geben zu zeigen, ob sie es ernst meint mit der Erneuerung des Landes. Sich jetzt einem Kompromiss zu verschließen, wäre fatal. Allerdings heißt das auch: Beide Seiten müssen sich bewegen.  Schäuble muss Zugeständnisse machen, die über Symbolik hinausgehen. Er kann und darf wiederum erst zustimmen, wenn sich Varoufakis klar und ohne Hintertür zur Einhaltung der Kreditregeln bekennt.

Thomas Schmoll, Autor in Berlin, verfolgt die Euro-Krise seit Jahren, unter anderem als finanzpolitischer Korrespondent der Nachrichtenagentur Associated Press. Er lebt gerne in Deutschland und in Europa.

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maSu am 20. Februar 2015

Ich bin immer wieder fasziniert... hierzulande führt man eine Rente mit 63 ein und gießt damit einen riesigen Wahlbetrug in ein Gesetz, denn: wirklich mit 63 können nur wenige Jahrgänge in Rente gehen. Diese Rente kostet 1,5 Mrd pro Jahr. Dummes Wahlgeschenk und dazu noch Lug und Betrug:
"Anspruch auf die abschlagsfreie Rente mit 63 hat, wer vor dem 1. Januar 1953 geboren ist. Wer später geboren ist, muss Abschläge in Kauf nehmen, denn analog zur Rente mit 67 soll die Altersgrenze für die abschlagsfreie Rente schrittweise wieder auf 65 Jahre angehoben werden. Konkret heißt das: Für alle 1964 oder später Geborenen liegt die Altersgrenze für die abschlagsfreie Rente wie bislang bei 65 Jahren."
(Quelle: http://www.tagesschau.de/inland/faq-rente-mit-dreiundsechzig-101.html )

Dann gönnen wir uns für aktuell irgendwas um die 5,5 Mrd Euro einen BER, der wohl noch weitere Milliarden verschlingen wird. Das alles wird abgenickt. Keine langen Verhandlungen. Durchwinken und gut.

Andere Beispiele kann man in diversen Büchern vom Bund der Steuerzahler nachlesen...

Und hier wird so ein Drama gemacht wegen "läppischen 7,2 Mrd Euro", während man in Deutschland Steuergelder der Wähler mit vollen Händen aus dem Fenster wirft, entdeckt man plötzlich, wenn es um Hilfe für Griechenland geht, dass man mit Geld verantwortungsvoll umgehen sollte?! Wahnsinn.

Also platt gesagt: Wir haben 2,1 Billionen Euro schulden und sehen nun zu, wie die Märkte uU Milliardenschäden erleiden, weil die Menschen unsicher bzgl. des Euros sind. Und alles, was es uns kosten würde, diese Sicherheit übergangsweise(!!!) herzustellen, das sind 7,2 Mrd Euro? Die nicht einmal nur von Deutschland kommen müssten, sondern von der ganzen EU, also käme es jeden einzelnen noch billiger.

Die EZB will 1,3(?) Billionen Euro drucken und auf den Markt werfen, um den Euro zu stabilisieren und eine Deflation zu verhindern. Und da scheitert man an 7,2 Mrd Euro?!

Ich bin fasziniert ... falsch: Angewidert.

Gewährt den Griechen von mir aus 10 Mrd Euro übergangsweise als sehr günstigen Kredit. Gebt ihnen Freiraum um komplexe Pläne zu erarbeiten. Und wenn sie dann scheitern, dann hat man es wenigstens versucht und die 10Mrd Euro sind ein Schnäppchen im Vgl. zu den marktwirtschaftlichen Schäden, die durch die aktuelle Versunsicherung entstehen.