Der Grexit gefährdet Deutschlands Kreditwürdigkeit

Von Thomas Schmoll am 18. März 2015

Die Bundesrepublik gehört zu den weltweit letzten Ländern mit dem besten Rating AAA. Scheitert die Griechenland-Rettung, kann sich das ganz schnell ändern. Ein Grund mehr, mit Athen einen fairen Deal zu vereinbaren

Noch befindet sich die Bundesrepublik unter den ganz wenigen Musterknaben weltweit, die von den drei großen Ratingagenturen Standard&Poor’s, Fitch und Moody’s mit AAA eingestuft werden, der bestmöglichen Kreditwürdigkeit. Heißt: Das Risiko für Käufer deutscher Staatsanleihen, das geliehene Geld samt Rendite nicht zurückerhalten, liegt nach Einschätzung der Bonitätsprüfer faktisch bei null. Wie sehr Investoren der Bundesrepublik vertrauen, zeigt der Run auf deren Papiere – trotz marginaler Gewinne. Teils zahlen Kreditgeber sogar drauf: Hauptsache, ihre Milliarden schwimmen in einem sicheren Hafen.

Doch inzwischen ist selbst für Deutschland das AAA in Gefahr. Falls die griechische Tragödie mit einem Ausscheiden des Mittelmeerstaates aus der Eurozone endet, wird der Vertrauensverlust auch die Bundesrepublik treffen. Der wäre nicht das Ende aller Tage, weil schlicht zu viel Geld auf der Welt vagabundiert, das nach Rendite sucht. Aber es wäre sehr wohl der Beginn einer Erosion.

Noch betrachten Profianleger Deutschland als Paradies. Bei einem Grexit würde das Image indes Kratzer bekommen. Und: Die amerikanische Zentralbank Fed wird wohl im Herbst ihre ultralockere Zinspolitik beenden, in Europa aber bleibt die Geldschleuder in vollem Betrieb. Diese Kluft wird für Geldabflüsse aus Europa sorgen.

Käme der gewollte oder abrupte Euroausstieg Griechenlands hinzu, könnte das Krisenszenario so aussehen: Hellas bedient seine Schulden nicht mehr, Deutschland verliert dadurch direkt bis zu 85 Milliarden Euro. Portugiesen, Spanier und – früher oder später – vielleicht auch Italiener und Franzosen geraten in Panik und schaffen ihr Geld ins Ausland oder legen es unters Bett. Die Europäische Zentralbank vergibt Notkredite, um die betroffenen Länder zu stützen. Durch das intereuropäische Verrechnungssystem wachsen Deutschlands Forderungen in ungeahnte Höhen.

Falls der Zusammenhalt in der Eurozone dann quer über den Kontinent endgültig zur Makulatur wird, steht die Bundesrepublik dumm da. Sie hat enorme Zusagen gemacht und schon jetzt viel in die Sicherung des Euro investiert. Für eine Kettenreaktion aber reicht die Kraft des Rettungsschirms nicht. Gestartet ist der EFSF mit der Note AAA. Im Sommer 2013 kappte Fitch als letzte der drei großen Ratingagenturen die Topnote unter Verweis auf unwiderrufbare und bedingungslose Garantien der Eurostaaten. Hinzu kommt: Frankreich hat Mühe, sein Staatsdefizit zu reduzieren und würde bei einem Grexit an die 65 Milliarden Euro direkt einbüßen.

Während Wirtschaftsforscher darüber streiten, ob und wie stark ein Euroaustritt Griechenlands ökonomisch gefährlich ist, legte sich Moody`s – fast unbeachtet von der Öffentlichkeit – in Bezug auf die Bundesrepublik nun fest: „Das wäre negativ für das Kreditprofil.“ Zwar seien die Ansteckungsgefahren aufgrund der EZB-Geldpolitik und diverser Vorsorgemaßnahmen zur Sicherung von Banken und von Eurostaaten in Finanznöten geringer als 2012 und Deutschlands direkte Verluste verkraftbar. Aber: „Die Kreditwürdigkeit der Regierung würde negativ betroffen sein, wenn sich größere Euroländer wie Italien oder Spanien dann wieder größeren Schwierigkeiten gegenübersehen.“

Abgesehen vom ökonomischen Schaden droht auch politischer. Anfang April ist Griechenlands Premier Alexis Tsipras bei Wladimir Putin. Der russische Präsident wird den Griechen locken. Der wiederum paktiert in Athen mit Rechtsradikalen und wird also kein Problem haben, Geld vom „lupenreinen Demokraten“ im Kreml (Gerhard Schröder) anzunehmen. Spätestens jetzt muss jedem klar sein, was für Deutschland und Europa auf dem Spiel steht und warum versucht werden muss, mit Hellas einen fairen Deal auszuhandeln. Dazu gehört die Erwägung eines nochmaligen, zumindest anteiligen Schuldenschnitts. Denn lieber einen Teil der Milliarden retten, als am Ende alles zu verlieren.

Thomas Schmoll, Autor in Berlin, befasst sich seit Jahren mit der Euro-Rettung, unter anderem als finanzpolitischer Korrespondent der Nachrichtenagenturen Reuters und AP.

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Zaunkoenigin am 18. März 2015

Herr Schmoll, was macht Sie bei Ihren Schlussfolgerungen so sicher? Was bestärkt sie in der Annahme, dass Griechenland nach einem Schuldenschnitt sich nicht Russland zuwendet? Und ... warum glauben Sie, dass bei einer Abwertung Deutschlands aufgrund der Situation nicht auch die anderen mit AAA bewerteten Länder (wie Luxemburg) abgewertet werden? Und .... was passiert, wenn es gar kein Land mehr gibt, dass mit AAA bewertet ist? Luxemburg dürfte m.E. auch stark ins Wanken geraten, wenn Deutschland ins Schleudern gerät.

Thomas Schmoll am 18. März 2015

Verehrte und geschätzte Zaunkönigin,

Fragen über Fragen. Ich habe auch welche. Worauf zielen Ihre Fragen ab? Wollen Sie mich auf eine bestimmte Fährte locken?

Was mich bei meinen Schlussfolgerungen so sicher macht? Was soll ich darauf antworten? Dass ich so klug bin? In die Zukunft sehen kann? Wie sicher sind solche Annahmen und Prognosen generell? Ich kann auch daneben liegen. Moody*s hatte Deutschland 2013 (2012?) schon mal gedroht. Passiert ist nichts. Es kann auch sein, dass... Vieles ist möglich. Zum Beispiel, dass Griechenland den Schuldenschnitt durchdrückt und sich danach Russland zuwendet. Die Wahrscheinlichkeit ist aber geringer, wenn es zu einem Deal kommt. Oder sehen Sie das anders?

Wo habe ich denn geschrieben, dass ich glaube, dass bei einer Abwertung Deutschlands aufgrund der Situation nicht auch die anderen mit AAA bewerteten Länder (wie Luxemburg) abgewertet werden? Nirgendwo. Natürlich läuft Luxemburg dann auch Gefahr, das AAA zu verlieren. Und was hieße das? (Wobei hier erwähnt sein sollte, dass allein noch D und Lux bei allen drei Agenturen die Bestnote hat. Auch Finnland, Holland und die Niederlande gehören nicht mehr zu dieser Elite. Die Frage ist eher: Ist das Ratingsystem zeitgemäß? Aber was könnten Alternativen sein?)

Und was passiert, wenn es gar kein Land mehr gibt, dass mit AAA bewertet ist? Die Schulden werden teurer. Ein Schritt mehr hin zum Crash.

Zaunkoenigin am 19. März 2015

Oh, welch Misstrauen, werter Herr Schmoll :-)! Nein nein, keine Fährte. Es sind wirklich "nur" Fragen die sich in meinem Kopf tummeln. Einfach, weil ich zu diesem unglücklichen Thema noch keine abgeschlossene Meinung habe. Das geht bei mir nicht immer so fix ;-).

Und da man mit ihnen so herrlich die Dinge von vielen Seiten beleuchten kann und ich aber auch den Eindruck hatte (der falsch gewesen sein mag), dass sie für sich einen Standpunkt gefunden haben, "benutze" ich sie, um meine Position auszuloten.

Nein, Sie haben nirgends behauptet, dass mit Deutschlands Abwertung nicht auch die anderen Länder abgewertet werden würden. Aber sie haben es auch nicht erwähnt. Und da eine Bewertungsstruktur sich verschiebt oder zumindest verschieben kann wenn keine Spitze im ursprünglichen Sinn mehr vorhanden ist (sprich, es keine AAA-Länder mehr gibt - wird dann nicht z.B. AA zum ehemaligen AAA?), ist das m.E. durchaus ein Punkt über den man nachdenken muss wenn man meint, dass die Abwertung negative Aspekte mit sich bringen würde. (ich hoffe jetzt sehr, ich schreibe für Sie nicht wirr ;-) ).

Die Skala hatte ich mir übrigens angeschaut weil das ja nicht unwesentlich ist welche Länder den AAA-Status haben. Eben deshalb kam ich auch zu dem Ergebnis, dass es mit Deutschlands Abwertung keine AAA-Länder mehr geben dürfte und auch die Unterschiede zwischen den Agenturen.

Ob eine Bewertung sinnvoll ist und ob sie realistische Aussagen trifft kann man immer nur dann bewerten, wenn man die Kriterien kennt. Schon alleine das lässt mich hier etwas skeptisch sein.

Zaunkoenigin am 19. März 2015

Ach ja.. und zu dem roten Daumen in meinem Frage-Posting kann ich nur sagen ... wenn hier jemand Fragen negativ bewertet, dem spreche ich ab reflektiert zu denken und zu handeln. Wer Fragen nicht tolerieren kann, der hat im Grunde in einer Diskussion nichts zu suchen.

Thomas Schmoll am 19. März 2015

Einspruch! Nein, kein Misstrauen. Damit hatte es nichts zu tun. Ich meinte es, wie ich es schrieb. Salopp formuliert: Ich hatte das Gefühl, Sie wollten mir mit den Fragen etwas verklickern, über etwas nachzudenken, was ich ihrer Meinung nach nicht sehe. (Meine Vermutung lag vor allem daran, dass Sie mich etwas gefragt haben, was ich nicht geschrieben hatte. So kannte ich Sie bisher nicht.)

Dass Sie sich Zeit lassen mit der Meinungsbildung, finde ich gut und richtig. Meinen Job sehe ich darin, Leuten genau dabei zu helfen. Ich beanspruche für mich nicht, "es" zu wissen, geschweige denn, "es" besser zu wissen.

Ich hatte den Blick auf den Rettungsfonds gelenkt. Luxemburg spielt politisch, nicht aber ökonomisch eine Rolle für die Eurozone. Ich will bei den Texten ganz schlicht und einfach nicht zu lang werden und den Fokus nicht aus den Augen verlieren, worum es mir geht. Hier ging es (mir) um Deutschland und die möglichen Folgen, die in der Debatte berücksichtigt werden müssen.

Ich gebe Ihnen vollkommen recht, dass, wenn es keine AAA-Länder mehr gibt, die Spitze sich dann zu AA hin verschiebt. Und was wäre dann anders? Dass Europa und die Welt schon heute ein auf Dauer unlösbares Schuldenproblem haben, wissen wir. Ihr Gedanke ist alles andere als wirr. Auch mir kam er beim Schreiben des Kommentars. Nur hätte ich dann gleich wieder die Systemfrage stellen müssen, ob das Ratingsystem Stuss ist. Für einen solchen Schluss ist es mir viel zu früh – auch, weil ich keine Alternative sehe. Es werden außerdem 3-fach-AAA-Länder übrig bleiben. Kanada, Schweiz, Norwegen und ein paar andere.

Ich will mich nicht vor der Frage nach Sinn oder Unsinn der Ratings drücken, es ist eine, die man stellen kann und sogar muss. Doch noch ist es, wie es ist. Nach meinem Urteil aus dem Bauch heraus machen die Ratingagenturen inzwischen einen besseren Job als vor Beginn der Staatsschuldenkrise. Sie werden stärker beobachtet als früher, was gut ist.
Was die Daumen angeht: Recht haben Sie. Das ist mir auch aufgefallen. Warum werden Fragen negativ bewertet? Vielleicht ist es ein Anzeichen allgemeinen Misstrauens. Nicht unbedingt gegen Sie als Person, sondern gegen das Hinterfragen an sich. Wobei das hochspekulativ ist, was ich hier schreibe.

Zaunkoenigin am 22. März 2015

Lieber Herr Schmoll, hinter dem Misstrauen stand ein Smilie. Und ja, diese Fragen hätten durchaus auch das Ziel haben können in eine Richtung zu lenken. In diesem Fall war es nur nicht der Fall. Insofern ... ;-)

Dass ich etwas frage, was Sie nicht geschrieben hatten, ist nun aber leicht zu erklären. Das hat etwas mit "weiter denken" und "Quer denke" zu tun. Ihre Gedankenansätze in allen Ehren, aber da waren mir noch zu viele offene Enden (des Gedankenfadens).

Was mich etwas irritiert ist Ihre Aussage *Luxemburg spielt politisch, nicht aber ökonomisch eine Rolle für die Eurozone*, weil ich der Ansicht bin, dass Luxemburg durchaus die Finanzflüsse (mit)steuert und somit eine ökonomische Rolle spielt. Sicherlich nicht im Sinne von Produktion und Handel. Einen Einfluss auf die Finanzen hat dieses Land jedoch in (gefühlt!) ausgeprägtem Maße.

Die Systemfrage.. mh.. Ich sag's mal so. Ich werde den Eindruck nicht los, dass niemand wirklich das System in seiner Gesamtheit verstanden/durchschaut hat. Einfach, weil es zuviele "Entwickler" gibt, die immer an irgend etwas angeknüpft haben bis es ein "vermeintlich" funktionierendes System gab. Das hat so lange funktioniert, so lange sich alle Beteiligten so verhielten, wie die Entwickler das System durchdacht hatten. Nun kommen aber neue Verhaltensweisen hinzu und nun .......... merkt man, dass das System holpert. Ein wenig ist es wie die Entwicklung eines komplexen Programmes an dem viele Entwickler beteiligt sind - die sich mehr oder weniger gut abstimmen und mehr oder weniger ausgeprägte Eigeninteressen einbringen wollen. Bestimmte Fehlverhalten/Einflussfaktoren kann man vorhersagen, durchdenken und entsprechende Programme/Lösungen entwickeln. Man kann das gedanklich durchspielen (bei Programmen testet man das) und dann ... dann hofft man, dass kein SuperDAU auf Ideen kommt auf die die Entwickler bisher nicht kamen. Ich sage Ihnen eines... bei Programmen hat das bisher noch nie funktioniert. Man kann nicht alles abfangen. Hier ganz offensichtlich auch nicht. Bei Programmlösungen hat man Glück, wenn nur ein Faktor falsch oder nicht vollständig durchdacht war. Meist zieht aber das ausgemachte Kernproblem dazu, dass man erkennt, dass dann in der Folge noch mehr nicht mehr stimmig ist. So fürchte ich, ist es auch hier der Fall. Insofern würde ich im Moment über das Ratingsystem (noch) gar nicht nachdenken.

Wir Wähler begehen einen Fehler ...wir suchen immer EINEN "Schuldigen". Das ist schön einfach. Das ist geistig leicht zu erfassen. Da kann man Lösungen finden. So etwas beruhigt. Probleme, die nicht überschaubar sind, machen Angst. Und wer hat schon gerne Angst? Besonders Existenzangst.

Was meinen Kommentar auf die Negativbewertung meiner Fragen angeht .. Ich hatte mir gar nicht die Frage gestellt, ob ich damit als Person gemeint sein könnte. Ich frage mich allerdings nach wie vor, was man an Fragen störend finden kann. Das ist doch unsinnig. Außer ............... außer, wenn die Fragen verunsichern/beunruhigen oder etwas gefragt haben, was man nicht wahrhaben möchte. In diesem Fall hätte mich aber auch interessiert, was nun beunruhigt hat.

Thomas Schmoll am 24. März 2015

Liebe Zaunkönigin,

wenn Luxemburg morgen sagen würde, wir ziehen uns aus Finanzmarktgeschäften zurück und konzentrieren uns voll auf Tourismus, Stahl und Gewerbeansiedlungen, würde es für das Land bald finanziell eng werden. Lux lebt allein von der Finanzmarktindustrie, was nicht schlimm ist, weil auch etliche seriöse Unternehmen zum Beispiel als Depotbanken für Fonds oder Abwickler syndizierter Kredite tätig sind. Luxemburg spielt eine (ökonomische) Rolle für Finanzströme. Keine Frage. Aber das könnte man auch von heute auf morgen nach XY verlegen. Das von Lux beigesteuerte BIP zum Gesamt-BIP der Eurozone ist nicht so dicke. Und "gefühlt" spielt keine Rolle.

Ob das Finanzmarktsystem in seiner Gesamtheit irgendwer auf der Welt verstanden hat und "durchschaut" - ich glaube es nicht. Ich bin das jedenfalls nicht! "Das System" wird in den nächsten Jahren zusammenbrechen, dann folgt vielleicht ein weltweiter Schuldenschnitt mit horrenden Verlusten für Staaten, Wirtschaft und Privatsparern. Danach beginnt alles von vorn. Das kann ich mir vorstellen. Mehr nicht. Noch funktioniert es. Daher will ich auch nicht den Stab über dem Ratingsystem brechen. Es funktioniert seit Jahren, inklusive aller Verwerfungen. Übrigens finde ich die turbokapitalistischen Wetten an den Börsen viel gefährlicher und irrer als das Treiben der Ratingagenturen.

Ihre Gedanken zur Suche nach Schuldigen teile ich. Das haben wir in Dresden erlebt, wo DIE Politik und DER Islam pauschal als Schuldige benannt worden sind. Das ist zum Gesellschaftsphänomen geworden. Das Ausmaß der damit verbundenen Irrationalität ist besorgniserregend.

Manchmal haben Fragen eine Tendenz. Vielleicht ging es darum. Vielleicht wurde darin eine Tendenz pro oder contra (Schmoll/Griechenland etc.) gesehen. Seltsam ist es in der Tat. Unter dem Strich aber auch egal.