Reform gegen Killer-Cops

Von Sebastian Grundke am 10. April 2015

Der Fall Charleston wirft auch Licht auf das amerikanische Bildungssystem. Für den in South Carolina von einem weißen Polizisten hinterrücks erschossenen afroamerikanischen Familienvater kommen die geplanten Reformen für öffentliche Colleges Jahrzehnte zu spät. Sie werden Obamas Vermächtnis an Amerika sein

Weiße Polizisten, die ihr Gewaltmonopol zum Schaden von Afroamerikanern missbrauchen, sind in den USA nicht neu. Genauso wenig sind es Aufnahmen solcher Taten. Aktivisten dokumentieren sie schon seit Langem auch filmisch und veröffentlichen das Material online. Allerdings war es ihnen bislang nicht gelungen, eine Tat von solcher Kaltblütigkeit und Konsequenz aufzuzeichnen.

Das Handy-Video von Feidin Santana ist erschütternd. Es zeigt, wie der Polizist Michael Slager den Familienvater Walter Scott mit acht Schüssen hinterrücks tötet. Wahrscheinlich wird es Slager ins Gefängnis bringen und gibt so Scotts Hinterbliebenen Aussicht auf Gerechtigkeit. Darüber hinaus befeuert es die Debatte um das Warum der Tat und um überfällige Konsequenzen. Insbesondere ist es geeignet, Obamas Reformplänen für das amerikanische Bildungssystem Vorschub zu leisten.

Diese Pläne sehen vor, die ersten zwei Studienjahre an öffentlichen Hochschulen in Amerika kostenlos anzubieten. Dadurch würden nicht nur Highschool-Absolventen aus ärmeren Familien in die Colleges gelockt, sondern auch Absolventen aus Familien mit mittleren Einkommen. Denn diese würden dann häufiger öffentlichen Universitäten den Vorzug vor jenen teuren privaten Einrichtungen geben, die das US-Bildungssystem momentan dominieren. Damit würde die Integration von Schwarzen gefördert, ihre Chance auf einen gut bezahlten Arbeitsplatz erhöht und folglich ihre Armut bekämpft.

Denn sie ist die Ursache für den Rassismus von Cops wie Slager: Schwarze sind in den USA noch immer als Diebe, Dealer und Lügner verschrien. Da sitzt bei Polizisten die Waffe lockerer, die Kollegen schauen gerne weg und die Bürger tolerieren den Machtmissbrauch und die Gewalt achselzuckend.

Auch das Video von Charleston hat daran zunächst einmal nicht viel geändert. „Ein Kind des Wohlfahrtsstaates weniger“, lautet ein Kommentar unter einer der vielen Veröffentlichungen des Videos vom mutmaßlichen Mord auf einer amerikanischen Internetseite. Glaubt man diesen und ähnlichen Äußerungen, sind viele Amerikaner offenbar nicht bereit, ein seit dem Ende der Sklaverei eingeübtes Narrativ endlich zu korrigieren. Doch die Debatte darum, dass dies nötig ist, ist in den USA bereits im vollem Gange. Die Frage scheint nur zu sein, wie genau und wann.

Denn den Hardlinern stehen viele Befürworter von Obamas Plänen gegenüber. Auch klassische Konservative sympathisieren mit dem geplanten Programm. Beispielsweise ist es Bill Haslam, der Gouverneur von Tennessee, der in seinem Bundesstaat bereits ein neues Bildungsmodell eingeführt hat, das Obamas Plänen ähnelt. Jene, die sich desgleichen landesweit wünschen, gilt Tennessee deshalb nicht nur als Vorbild. Der Bundesstaat gerät ihnen außerdem zum politischen Hebel, mit dem sich ein neues Bildungs- und Sozialversprechen selbst im republikanisch dominierten Kongress in Gesetze gießen ließe. Die Chancen dazu standen nie besser.

Sollte der Bildungspakt trotz allem in Obamas Amtszeit nicht mehr zu realisieren sein, wird er dessen Vermächtnis an die Vereinigten Staaten sein – egal, wer ihn schlussendlich wie und wann umsetzt.

Sebastian Grundke, freier Journalist in Geesthacht, ging als Jugendlicher ein Jahr lang im US-Bundesstaat Tennessee zur Schule. Seitdem beschäftigt er sich mit Kultur und Geschichte der Afroamerikaner in den USA.

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Zaunkoenigin am 10. April 2015

Herr Grundke, danke für diesen Link!

Ihren Ausführungen ist im Grunde nicht mehr viel hinzuzufügen. Für mich ist es bei diesen schrecklichen Übergriffen der Staatsgewalt immer unbegreiflich, dass so etwas in einem angeblich demokratischen Land toleriert und teilweise begrüsst wird und man das auch noch öffentlich äussern darf ohne mit Problemen rechnen zu müssen.

Was hat in diesem Land das Leben überhaupt für einen Wert?

NoName am 11. April 2015

Erzählungen aus dritter Hand ist nach meiner Erfahrung zu misstrauen. Die Presse zählt dazu. Wer weiß wirklich passiert ist? Selbst wenn es ein Mord aus blankem Rassenhass ist so sind es immer noch so ca. 299 999 999 US Bürger die sich nicht gegenseitig umgebracht haben.

Sollte man bei der Beurteilung evtl. mit einbeziehen.

Es ist zwar politisch unkorrekt (was nichts anderes bedeutet als das die nachfolgenden Sätze einer Zensur der doch eher willkürlichen "herrschenden Meinung unterliegen) aber um Fakten kommt man schlecht herum.

Fakt ist z.B. das der Rassismus in den USA unter den schwarzen gegen die weißen in nichts geringer ist als umgekehrt. Das heißt aber nicht das der Hass sehr viel höher sein kann. Das ist alles andere als ausgeschlossen.

"Begründet" wird das von den Schwarzen dann damit das Sie von ihren afrikanischen Brüdern versklavt und an weiße verkauft wurden die dann ihr Geschäft als Wiederverkäufer mit irgendwelchen weißen Farmern in dem Land gemacht hatten dessen Genozid an den Ureinwohnern man nicht Holocaust nennt weil es ja nur Indianer und keine Juden waren die da ausgerottet wurden.

Vor ca. 200 Jahren, plus minus ein paar Generationen.

Das klingt nicht nur plemplem, das ist es auch.

Selber kann ich auch was beisteuern. War ich auch mal in den USA und hab auch in Schwarzafrika gearbeitet. Da unter militärischem Schutz, immer min. eine Uniform mit ner MP neben einem. Oder ne Schrotflinte (nebst Bedienpersonal) vor dem Schlafgemach.

Dennoch habe ich da auch nicht die Spur von Angst gespürt, das war berechenbar.

Die USA sind es nicht.

Da kann ich mich an ausreichend Situationen erinnern die alles andere als klar waren. Bin nun mal nicht der Typ der ausgelatsche Touriwege geht. Da war manchmal Alarm kurz vor Panik. Nur wg. der Gegen und der Typen die da rumhingen.

Warum soll das einem Polizisten anders gehen.

Zaunkoenigin am 11. April 2015

NoName.. an einen Polizisten stelle ich andere Anforderungen als an Otto-Normal-Bürger. Handelt er wie ein Verbrecher, dann ist er einer .. Verbrecher in Uniform unter dem Schutz des Staates.

Damit rede ich den Rassismus der Schwarzen nicht besser. Aber deren Haltung (begründet oder nicht ist an der Stelle irrelevant) machen solche Übergriffe im Namen des Staates sicherlich nicht besser.

Warum in drei Teufels Namen müssen Menschen immer alles relativieren? Warum kommen wir nicht ohne Vergleiche aus? Ist Schlecht Schlecht wenn es auf der Welt etwas vergleichbares gibt?