Putin-TV in Thüringen
Der Sender Salve TV inszeniert Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow in bester Tradition der „Aktuellen Kamera“. Wie weit dürfen Medien bei der Politiker-Berichterstattung gehen?
Herzlichen Glückwunsch, Herr Böhm! Ihr Thüringer Regionalsender Salbungs TV – pardon, Salve TV – hat 25 Jahre nach dem Ende der DDR und nur wenige Wochen nach der Rückkehr der dreifach gehäutet…äh…geläuterten SED-Erben an die Regierungsspitze eines Bundeslandes den Geist der „Aktuellen Kamera“ erfolgreich wiederbelebt: „Ramelow & Co. – die ersten 100 Tage“. Ein Format in bester Tradition der guten, alten einseitigen Nachrichtenklamotte des DDR-Fernsehens. Technisch modernisiert, dabei erfrischend unkritisch wie einst und ebenso herzergreifend dankbar gegenüber dem Staatsratsvors…, pardon, Ministerpräsidenten wie zu Vorwendezeiten. Obwohl, Egon Krenz bekam 1989 zu seinem Amtsantritt vom DDR-Fernsehen einen Blumenstrauß. Daran müssen Sie noch arbeiten. Wie auch immer: Ein Hingucker, wie Ihr Salve TV den Herrn Ministerpräsidenten huldvoll mit der aktuellen Kamera begleiten darf und es Ihren Kameraleuten trotz tiefer Verneigungen gelingt, nicht nur aus der Froschperspektive, nein, auch auf Augenhöhe zu filmen.
Ebenso begeistert uns, wie vielsagend die Salve TV-Autoren im „Beitrag“ schweigen, während der Hauptdarsteller Ihrer regionalen Tagebuch-Soap dafür umso mehr wenig sagend plaudert. Und ganz nebenbei graben Sie Pegida und den Lügenpresse-Vorwürfen geschickt das Wasser ab. Die Lügenpresse hält endlich die Klappe, der Hauptdarsteller kommentiert sich selbst. Fakten pur.
Das setzt Maßstäbe. Wie wir gehört haben, soll Herr Ramelow soll ja nur der Anfang sein.
Jaaa, in einer Demokratie ist die Annährung an einen spitzen Politiker eben keine Selbstverständlichkeit. Natürlich haben wir Pressefreiheit, und es gibt eine behördliche Auskunftspflicht, aber wir Journalisten kennen doch die Praxis. Politiker haben leider, leider regelmäßig ausnahmsweise keine Zeit für TV-Interviews, wenn Miesmacher-Formate wie „Monitor“ oder „Report“ anrufen. Ein anderes Mal ist gerade der Boden frisch gewischt oder das Hausrecht verbietet ausgerechnet heute Filmaufnahmen in den Palästen der Republik, weil der Sicherheitsdienst praktischerweise unterbesetzt ist.
Journalistisches Wellnesspaket
Sie, Herr Böhm, haben bei Salve TV nun den Schlüssel zum Herzen der Mächtigen und medial Missverstandenen gefunden: ein „journalistisches“ Wellnesspaket für den Landesvater, den Minister, die Politikerin, das sicher direkt in den Wohlfühl-Laboratorien Ihrer Toskana-Thermen entwickelt wurde. Ohne hinterhältige Zwischenfragen, zwickende Gegenmeinungen, Gegenrecherchen, ergänzende Fakten oder ungehörige Kritik. Und sie gucken mit der Kamera auch nicht wie andere schlecht erzogene Journalisten hinter die Kulissen.
Der Herr (Ramelow) spricht, das Volk lauscht – und darf sich seine Meinung bilden. So etwas funktioniert bereits glänzend in Russland. Mit dem Rezept hat sogar die ARD Putin exklusiv vor die Kamera bekommen. Politiker-Liebe geht bekanntermaßen durch die netten Fragen, die am Ende auch noch rausgeschnitten werden. Der Journalist als Stichwortgeber, nein, als Blickrichtungsgeber für den Protagonisten. Toll. Vielleicht erhält Salve TV sogar den Putin Medien-Award?! Hier erwarten wir von der Links-Partei eine entsprechende Initiative.
Überhaupt: Die Tugenden der „Aktuellen Kamera“ könnten zukünftig das Sesam-öffne-Dich zu den Schätzen der Politik sein.
Der Herr Ackermann von der „ak“ hat es vor Jahrzehnten vorgemacht. Bis heute unvergessen, zumindest vom Internet, wie salvevoll er im
Jahre 1984 dem damaligen Landesvater nahekommt. Ich zitiere: „Am zweiten Besuchstag in der Republik Finnland stattet der Generalsekretär des ZK der SED und Vorsitzende des Staatsrates der DDR, Erich Honecker, heute Vormittag dem Reichstag in Helsinki einen Besuch ab. Nach Gesprächen mit Parlamentsabgeordneten wird er das Nationalmuseum und die Lenin-Gedenkstätte besichtigen. Zu Ehren Erich Honeckers gibt die finnische Hauptstadt anschließend ein Essen im Rathaus. In Begleitung von Präsident Dr. Mauno Koivisto wird Erich Honecker am Nachmittag eine Reise in die südfinnische Provinz Häme antreten.“
Abfuhr für den Landrat
Und heute stattet der Genosse Ramelow Besuche ab. Wir erleben den Genossen Ramelow bei Herrn Jahn im Objekt der Stasiunterlagen-Behörde, den Genossen im „Restaurant des Herzens“ (Suppenküche), den Genossen bei Energiegesprächen in Schmalkalden, den Genossen bei den Sternsingern, den Genossen am Lenin-Denkmal. Ach nein, das war der andere Genosse 1984 in Finnland… Alles protokollarisch korrekt – Salve bitte – in Bild und Ton, die Genossen damals wie heute.
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So, genug genossen und jetzt mal Klartext: Die Sendung „Ramelow und Co.“ ist leider ein vollkommen unjournalistisches, anbiederndes und für echte journalistische Arbeit kontraproduktives Format. Gerade in einer Demokratie ist es wichtig, dass die Presse eine deutlich vernehmbare Stimme hat und nicht freiwillig zugunsten des Protagonisten in gefälliges Schweigen verfällt oder sich gar als technischer Dienstleister für das Verfilmen von Pressemitteilungen versteht. Gut, Chronistenpflicht ist wichtig. Noch wichtiger aber ist es, umfassend über Hintergründe, Widersprüche, Gegenmeinungen zu berichten, kritische Fragen zu stellen, Missstände aufzudecken und sich nicht vereinnahmen zu lassen. Das ist oft anstrengend für beide Seiten, aber es ist Demokratie.
Ich erinnere mich mit Schaudern an meine ersten Erlebnisse von versuchter Kuschelkorruption als Jungredakteur in Thüringen. Damals, 1992, spazierte der Pressesprecher des Landrats mit einem öligen Lächeln in die Redaktion und überreichte das „offizielle Landrats-Foto“. Das hübsche Porträt sollte fortan die redaktionseigenen Bilder ergänzen, nein, eigentlich passend zu den Pressemitteilungen ersetzen. Wir haben das Amts-Porträt nie gedruckt und stattdessen kritische Distanz gewahrt. Es war der Beginn eines schwierigen Verhältnisses, das mit jeder Recherche abseits der Pressemitteilungen schwieriger wurde. Wir mussten uns fortan alle Informationen erkämpfen, bekamen dadurch aber Wissen, beispielsweise über politische Intrigen, das andere nicht hatten.
Den Mächtigen nicht huldigen
Das zweite Erlebnis war eine Artikel-Lobeshymne, die die Pressesprecherin im Kreistag auf einen Kollegen der mit uns konkurrierenden Zeitung anstieß. Der Kollege saß mit stolz geschwollener Brust im Saal und schien im Olymp der Lokalpolitik angekommen. Nun ja, der Landrat wurde einige Jahre später – unser Blatt hatte die Außenredaktion im Rahmen einer Reform schon lange geschlossen – unter anderem wegen Schmiergeldzahlungen von einen Gericht zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.
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Und was hat das mit Salve TV zu tun? Ganz einfach: Wenn der Ministerpräsident, dem wir absolut nichts Schlechtes unterstellen wollen, oder ein andere Politiker sein Tagebuch veröffentlichen will, kann er das gerne tun. Wenn sich aber Journalisten zum „Protokolläffchen“ machen (lassen) und das kritiklose Montieren von Bildern und O-Tönen fataler Weise für redaktionelle Arbeit halten, schadet das der Demokratie.
Sehr geehrter Herr Böhm, auch wenn Ihr Sender Salve TV heißt, (salve = Heil, Gesundheit, Ganzheit) und damit an den Segensgruß aus der Römerzeit erinnert: Die freie Presse ist nicht dazu da, um den Mächtigen zu huldigen, sondern ihnen auf die Finger zu schauen. Davon ist in der ausgestrahlten Sendung mit Herrn Ramelow nichts zu merken.
Urs-Martin Kellner, Autor in Hamburg, schreibt die OC-Kolumne „Rechts gedreht“ jeden zweiten Mittwoch.