Das war’s dann, AfD

Von Andreas Theyssen am 19. Mai 2015

Parteichef Bernd Lucke erpresst seine Partei. Obwohl er in der Sache Recht hat, können sich die Parteimitglieder das nicht bieten lassen. Damit wird sich die Partei spalten. Die AfD scheitert somit aus den gleichen Gründen wie alle Neugründungen der letzten 35 Jahre.

Verstehen kann man Bernd Lucke. Er ist vor zwei Jahren angetreten, um eine Partei zu gründen, die einen Gegenpol setzt zum Euro-Einheitskurs der etablierten Parteien. Damit konnte er im bürgerlichen Lager punkten und allen Parteien Wähler abluchsen.

Seine beiden parteiinternen Kontrahenten Frauke Petry und Alexander Gauland, Landeschefs in Sachsen und Brandenburg, wollen die AfD anders aufstellen: als rechtspopulistische Partei.

Das passt nicht zusammen, wie Lucke völlig korrekt bemerkt. Und deshalb sagt er offen: Entweder die Partei bleibt unter seiner Führung auf dem bisherigen Kurs. Oder aber er gründet eine neue Partei. Dummerweise nennt man so etwas Erpressung, und große Teile der Partei sind empört. Auch zu recht.

Das weitere Schicksal der AfD ist absehbar. Die Partei wird sich spalten, in Luckes „Weckruf 2015“ und in die Rest-AfD um Petry und Gauland. Und keine der beiden Parteien wird es wieder über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen. Das war’s dann, AfD.

Man muss die Euro-Phobie der AfD wahrlich nicht teilen. Aber aus demokratietheoretischen Gründen, war es wichtig, dass eine Partei vom Euro-Mainstream der übrigen Parteien abweicht. So gesehen war sie in der Tat eine „Alternative für Deutschland“, so gesehen ist es schade, dass sie in der Bedeutungslosigkeit verschwinden wird.

Es wäre falsch, die Verantwortung für das Scheitern allein Lucke oder Petry und Gauland oder allen dreien anzulasten. Die AfD ist vor allem am selben Phänomen gescheitert, das zum Niedergang aller Parteineugründungen der letzten 35 Jahre geführt hat, seien es Statt-Partei, Schill-Partei oder die Piraten.

Das Phänomen: Neugründungen ziehen vor allem die Frustrierten und Ewigunzufriedenen an. Sie waren zuvor schon in mindestens einer Partei, kamen dort nicht zurecht oder verließen sie wegen eines umstrittenen Beschlusses. So finden sich in der AfD Leute, denen die Merkel-CDU zu sozialdemokratisch wurde, die der SPD die Hartz-Gesetze ankreiden oder der FDP deren Euro-Treue. Hinzu kamen Leute, die bei rechten Splittergruppen wie der Kleinpartei „Die Freiheit“ waren. In seinem Wahlkreis Passau etwa, so beobachtete CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer, sei fast der gesamte Kreisverband der „Republikaner“ der AfD beigetreten.

Ihren Hang zum Querulatorischen, der sie aus anderen Parteien trieb, bringen sie aber in die neue Partei mit ein. Hinzu kommen persönliche Eitelkeiten, Pöstchenhuberei und organisatorischer Dilettantismus. Dies alles mischt sich zu einer Melange, die das Scheitern einer neuen Partei quasi unvermeidbar macht.

Andreas Theyssen, Autor in Berlin, hat für das Magazin „Cicero“ wochenlang in der AfD recherchiert – und schon im vergangenen Jahr prognostiziert, dass die Partei an sich selber scheitern wird.

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Zaunkoenigin am 20. Mai 2015

Das ist doch keine Erpressung. Das ist klar Stellung beziehen und es hätte den etablierten Parteien so manches Mal gut getan, wenn das mehr Mitglieder getan hätten.

Oder, Herr Theyssen, wie stellen Sie es sich vor, soll ein Mensch deutlich sagen, dass er den Weg den eine Partei eingeschlagen hat so nicht mitgehen kann und möchte? Wenn Lucke hinter dem steht wofür er damals bei der Gründung angetreten ist, dann hat er gar keine Alternative zu dem was er im Moment tut. Und wenn er - ich schreibe bewusst "er" weil es die AfD wie wir sie im Moment kennen evtl. demnächst nicht mehr geben wird - als Alternative für Deutschland im Sinne von "contra Euro" stehen möchte, dann haben da keine Republikaner und Co. darin zu suchen. Eine echte Alternative kann kein braunes Gedankengut sein.

Und wenn Sie mir nun noch verraten können, wie Bernd Lucke genau dieses Gesocks wieder aus der Partei heraus bekommen könnte ohne deutlich zu werden und sich zu positionieren, dann wäre ich Ihnen sehr verbunden.

Und noch ein kleiner Nachtrag zu einem Punkt den sie in Ihrem Artikel anschneiden .... Parteineugründung und "ewig unzufriedene". Das liest sich so, als ob das alles nur Querulanten wären die nicht anpassungsfähig sind. Sie werfen die AfD zusammen mit den Piraten und der Schillpartei in einen Topf. Auch wenn Sie sich mit dieser Art der Argumentation in guter Gesellschaft befinden, so halte ich diese für grenzwertig, unsachlich und vor allem ist diese Aussage nicht differenziert. Es ist ein Totschlagargument das besagt, jede neue Partei kann im Grunde gar nicht ernst genommen werden weil ... "siehe Ihre Argumente oben". Aber das nur am Rande.

Ja, natürlich ist das (auch) ein Machtkampf und ja, vermutlich wird er ihn verlieren. Aber wenn er das tut, dann ist es auch gut so .. sowohl für ihn als auch für die Menschen, die sich in seinen Gedankengängen wieder gefunden haben. Denn braunes Gedankengut und Themen eines Bernd Lucke passen nicht zusammen.

Andreas Theyssen am 20. Mai 2015

Wenn Ihr dieses nicht tut, dann mache ich jenes - das ist wohl die klassischste aller Erpressungen.

Lucke hat selber - etwa durch Auswahl rechtspopulistischer Slogans für die Wahlkämpfe - aktiv dazu beigetragen, dass Rechtspopulisten und noch Rechtere glaubten, in der AfD eine neue Heimat finden zu können.

Dass Parteigründungen nicht per se aussichtslos sind, haben die 1980 gegründeten Grünen bewiesen. Der Unterschied: Sie waren damals explizit FÜR etwas, die übrigen Neugründungen waren in erster Linie GEGEN etwas. Vielleicht ist das der entscheidende Unterschied, der über Erfolg oder Misserfolg einer neuen Partei entscheidet.

Zaunkoenigin am 20. Mai 2015

:-), werter Herr Theyssen, dann wäre jede Kindererziehung Erpressung. Ich nenne das Konsequenzen aufzeigen.

Ich bin nicht der Ansicht, dass Lucke durch das für das er eintritt rechtes Gedankengut verbreitet und damit die Braunen angelockt hat.

Ja nun, die AfD steht auch für etwas (oder zumindest stand - ich habe mich die letzten Wochen diesbezüglich nicht auf dem Laufenden gehalten) aber eben auch gegen. Das ist nichts anderes als das Auftreten der jungen Grünen. Die standen für und standen gegen etwas.

Andreas Theyssen am 20. Mai 2015

Na ja, jeder hat wohl so seine eigene Art, seine Kinder zu erziehen.

Was Lucke und sein Buhlen um den rechten Rand betrifft - vielleicht hilft Ihnen diese Geschichte ein wenig weiter: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-131355078.html

maSu am 20. Mai 2015

Die Geister, die man rief...

... aber bei der AfD kommt wie bei Piraten usw. ein Faktor hinzu:
Neue Parteien locken immer auch den extremen rechten und den extremen linken Rand an. Die Piraten, die gar nicht auf Geschlechter achten wollten, wurden von Linksfeministen und Rechtspopulisten zugleich geentert. Da wusste man gar nicht, ob man sich zuerst von den Zweifelhaften Äußerungen der Rechten oder den Linken distanzieren wollte. Schlussendlich ist der klägliche Rest der Piraten ganz erheblich nach links abgedriftet. Die Vernünftigen treten lieber aus, als sich mit den Idioten herumzuschlagen.

Und bei der AfD ist es auch nicht anders: Hier haben die rechten Strömungen Einfluss gewonnen, auch weil Lucke seine Ideale erst nach dem Knacken der 5% Hürde für sich entdeckt hat - vorher war das nicht soooo wichtig. Und jetzt wird er die teils ziemlich rechten Strömungen nicht mehr los.

Und ja, Lucke spaltet die AfD oder versucht es. Und beide Ergebnisse werden die 5% Hürde nicht nehmen können, denn: Sie schaffen es ja nur zusammen soeben ...! Lucke muss sich fragen, ob ihm seine Ideale nun wichtiger sind, als Macht. Je mehr Macht man hat, desto weniger Ideale kann ein Mensch sich leisten (die GroKo ist mit Maut, Vorratsdatenspeicherung usw da ein Paradebeispiel).

Und diese "Erpressung" ist eben so. Lucke will nicht Steigbügelhalter für Rechtsradikale sein. Zeitgleich verliert die AfD mit Lucke dann aber ihr Zugpferd, denn, so sehr ich Frau Petry in Polit-Talkshows auch schätze (da sie nicht den üblichen "nichtssagendenen Mist" absondert), ich kann mir nicht vorstellen, dass sie die AfD (ob mit oder ohne Gauland) je wieder über die 5% bringt.
Lucke weiß aber: Neue Partei=neue Probleme, wenig Rückhalt, viel Arbeit und so weiter. Darum ist es natürlich sinnvoller, die AfD nach rechts klar abzuschotten.

Ich drücke Lucke auf jeden Fall die Daumen - egal auf was es am Ende hinausläuft.

Zaunkoenigin am 20. Mai 2015

Ja, Herr Theyssen, und so mach einer erzieht seine Kinder gar nicht. Aber abgesehen von der Kindeserziehung ziehe ich als erwachsener Mensch auch bei Erwachsenen Grenzen wenn es notwendig ist. Das tut jeder ... und mir sind ehrlich gesagt Menschen lieber, die Stellung beziehen, als die Lämmerschwänze die hinten herum dann jammern.

Was den Spiegel-Artikel angeht .. nun ja.. nach dem Lesen wüsste ich immer noch gerne wo Lucke braunes Gedankengut vertreten hat. Ist Ihnen eigentlich aufgefallen wie dieser Artikel mit Bildern, Stimmungen und Vorurteilen spielt? Nennen Sie das objektive Berichterstattung?

Ich nicht.

Aber ich fürchte, auch hier werden wir nicht zusammen kommen.

Zaunkoenigin am 20. Mai 2015

masu.. ich kann mich nur hier nicht Ihrer Analyse anschließen .. *Je mehr Macht man hat, desto weniger Ideale kann ein Mensch sich leisten *

umgekehrt wird ein Schuh daraus. Allerdings muss man auch bereit sein loszulassen falls das eigene Ideal nicht (mehr) eine Mehrheit findet.

Schaun mer mal, ob das Lucke kann.

Was die Ideale angeht .. mh.. ich habe Lucke in seinen Anfängen in Talkshows erlebt. Damals stand er für seine Ideale ein. (wenn man ihn zu Wort kommen lies). Meine Skepsis/Vorsicht erwächst aus anderen Mitgliedern. (mit meiner Haltung würde ich übrigens wunderbar in Herrn Theyssens Bild der "Ewigunzufriedenen" passen :-) ....

Wie auch immer. Wie man das was Lucke z.Zt. tut "Erpressung" nennen kann erschließt sich mir nicht so lange er dann auch durchzieht was er angekündigt hat. Im Guten wie im Schlechten.

Andreas Theyssen am 20. Mai 2015

Werte Zaunkönigin,

Bilder, Stimmungen und Vorurteile sind mir in dem Zusammenhang wurscht. Mir geht es um Fakten, in diesem Fall um die Emails, die Lucke geschrieben hat und die dem "Spiegel" vorliegen. Und der Inhalt dieser Emails ist eindeutig.

Zaunkoenigin am 20. Mai 2015

und ich kann nicht nachvollziehen was für Sie an diesen Emails in Richtung "Fischen nach Braunen" aussieht. Beim besten Willen nicht.

Gerade Ihnen als Journalist sollte es m.E. nicht gleichgültig sein, wie eine Nachricht präsentiert wird. Und eigentlich müsste Ihnen bewusst sein wie Stimmungsmache (das was Sie in anderen Zusammenhängen ja so stört) funktioniert.

Aber wie ich ja schon schrieb, wir beide lesen und erfassen Texte fast in allen Bereichen anders. (bei Ihrem Humor kann ich allerdings mit Freuden mit ;-) ). Ich fürchte daher, dass wir schon wieder an unsere Grenzen gestoßen sind.