Günther Jauch – nun wirklich zum allerletzten Mal
Der nette Moderator von nebenan, der nun aufgehört hat, konnte keine Talkshow. Das ist aber auch egal. Denn wahrscheinlich hat sich der Talk mit den ewig gleichen Gästen ohnehin überlebt.
Günther Jauch macht einen netten Eindruck. Doof scheint er auch nicht zu sein, ganz im Gegenteil. So einen hätte man sich früher als Studienrat für Deutsch, Geschichte und Latein gewünscht. Einem Nachbarn wie Jauch würde man sich anvertrauen, wenn die Tochter Probleme mit Drogen und man selber die Steuerfahndung auf den Fersen hätte.
Jauch hat viele Talente. Und ist populär. So landet er stets auf Platz eins, wenn nach dem nächsten Bundespräsidenten gesucht wird. Die Deutschen stilisieren ihn zum idealen Bundesbürger. So einer wie Günther Jauch hat ziemlich viele positive Eigenschaften, die ihn aus der Masse der Menschen herausheben. Nur eines ist der talentierte Herr Jauch, der jetzt mit seiner Sendung aufhört, definitiv nicht: ein politischer Journalist.
Das ist kein Beinbruch und auch keine Schande. Ein Karrierehindernis für Journalisten ist das nicht: Man kann die Sportschau oder das Aktuelle Sportstudio moderieren, eine Quizsendung leiten oder Gastgeber einer Gala sein. Nur nach dem „Tatort“ am Sonntag die Moderation der wichtigsten Talkshow der Woche, die das Top-Thema der nächsten Tage setzen soll – die sollte man sich verkneifen.
Dafür wird ein durch und durch politischer Mensch und Journalist gebraucht. Einer, der eine Nase für wichtige Themen hat, der den Schmutz unter dem Teppich herzuholen vermag und sich auch nicht zu schade ist, in die stinkende Kanalisation hinabzusteigen. Gesucht wird jemand, der kompetent fragt und entschlossen nachhakt. Gewissermaßen eine Eier legende journalistische Wollmilchsau.
Alle diese Fähigkeiten gehen Jauch ab, obwohl er oft hervorragende Quoten hatte. Zu dieser für den Moderator verheerenden Erkenntnis kam der ARD-Programmbeirat bereits 2012, wie der Branchendient kress.de jetzt enthüllte. Jauch hake seine Fragen einfach nur ab, bohre nicht nach und gehe Konflikten aus dem Weg. Durch seine vorgefertigten Fragen schüre der Moderator teilweise die Politikverdrossenheit und hangele sich von Einspieler zu Einspieler. „Das nimmt dem politischen Talk die Würze“, urteilte der ARD-Programmbeirat . Nur geändert hat sich nichts.
Ärgerlich nur, dass die ARD Jauch drei weitere Jahre als Polit-Talker dilettieren ließ und dafür pro Jahr elf Millionen Euro an Gebührengelder verpulverte. Ärgerlich auch, dass Anne Will nun Jauchs Platz am Sonntagabend einnimmt. Sie hat bereits vor Jauchs Verpflichtung bewiesen, dass sie es nicht kann. Aber vielleicht hat sich der Polit-Talk mit den immer selben Verdächtigen auch überlebt.
Volker Warkentin, Autor in Berlin, kann Sendungen wie „Günther Jauch“, „Anne Will“ oder „Hart, aber fair“ schon seit Jahren keine neuen Erkenntnisse mehr abgewinnen.Seine OC-Kolumne „Warkentins Wut“ erscheint jeden Dienstag.
Zaunkoenigin am 1. Dezember 2015
ich sag's mal so.... ich hoffe es sehr, dass sich diese Art von "Talk-Shows" überholt haben! Sie sind menschenverachtend, peinlich, beschämend und die sogenannten Talkmaster sind oft genug in ihrem Agieren abstossend und mit rüpelhaften Manieren versehen. Wichtigtuer .. sonst nichts.
Da war Jauch noch die harmlose Variante auch wenn man am Ende der Talkshow meist so schlau war wie vorher auch.
Vor einiger Zeit hatte ich in irgend einem Sender einige Talkshows aus den 60/70/80ern gesehen. Erinnern Sie sich noch an die Bonner Runde? Oder an den "Internationalen Frühschoppen"? Da damals wurde auch kontrovers diskutiert - m.E. aber fundierter und man lies sich zu Wort kommen und der Zuschauer hatte somit die Chance die Personen zu verstehen.
Es liegen Welten zwischen damals uns heute. Man könnte nostalgisch werden.
Volker Warkentin am 1. Dezember 2015
Werte Zaunkönigin, was ist los? Sie stimmen mit mir überein. Wie konnte das passieren? Aber Ernst beiseite. Natürlich erinnere ich mich noch an den Internationalen Frühschoppen. Mein Vater ist sonntags gelegentlich in die Kneipe gegangen, um Werner Höfers Trinkerrunde am Fernseher zu verfolgen. Und mich nahm er oft mit, Sehen konnte man nicht viel, denn das kleine Studio war voller Tabaksqualm. Ähnlich bei der Bonner Runde oder Unter uns gesagt. Alkohol und Tabak wurden damals wie selbstverständlich und lustvoll konsumiert. Da ich mittlerweile seit 22 Jahren nikotinfrei bin, will ich die altem Zeiten nicht wiederhaben. Und die Zeiten waren damals auch nicht besser als heute. Allerdings wurde vor 50 Jahreb auch nicht jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf getrieben, so dass meines Erachtens mehr Zeit war, sich mit einem Thema zu befassen. Und dieser Aktualitätsdrang macht nicht nur das Medium Fernsehen zu einer oberflächlichen Sache.
Wünsche Ihnen eine möglichst talkshowfreie Restwoche.
Herzliche Grüße Volker Warkentin
Zaunkoenigin am 2. Dezember 2015
Ab und zu kommt's vor, werter Herr Warkentin :-)
Wobei sich schon wieder mein Widerspruchsgeist regt (hach ja :-) ) Ich fand die früheren Zeiten in manchen Bereichen besser. Einer davon waren die Umgangsformen. Das Dauergeplärre und ins Wort fallen, was man in diesen sogenannten Talkshows heutzutage hat, fand in diesem Ausmaß nicht statt. Das was uns da präsentiert wird, das hätte sich damals nicht lange gehalten. Früher ging es schon noch um Information .. was m.E. bei den heutigen Talkrunden nicht mehr der Anspruch ist.
Und heutzutage müssten Sie ja nicht mehr in die Kneipe gehen um die Talkrunden zu sehen. Sie könnten nikotinfrei konsumieren.
Volker Warkentin am 2. Dezember 2015
Ja, die Umgangsformen. Da tun sich heutzutage Welten auf, beste Zaunkönigin. Ein weites Feld, um Fontane zu zitieren. Die Old School, die zu besuchen mir nicht immer Freude bereitete, hat doch manches für sich gehabt. Aber gutes Benehmen war nicht das Thema meiner Kolumne. Vielleicht fällt mir später dazu noch etwas ein. Wünsche Ihnen noch eine gute Zeit.
Zaunkoenigin am 3. Dezember 2015
*Aber gutes Benehmen war nicht das Thema meiner Kolumne*.. schade schade, schade .. weil ... das gehört m.M. nach auch zu einer guten Talkshow und stünde der Kontroverse ja nicht im Wege.