Was Bernie Sanders mit Donald Trump und Frauke Petry gemein hat

Von Falk Heunemann am 5. Mai 2016

Während sich ganz Deutschland über den Nominierungssieg von Donald Trump aufregt, lieben viele den linken Clinton-Herausforderer Sanders. Dabei ist er schlechter als sein Ruf.

Nun also ist es tatsächlich passiert, und das trotz meines Kommentars “Vergesst Trump” über dessen Unwählbarkeit vor einem halben Jahr: Der Franchise-Milliardär aus New York (der vor allem mit seinen Namensrechten Geld einnimmt) wird wohl nun tatsächlich der nächste Präsidentschaftskandidat der Republikanischen Partei. Das entsetzt nicht nur viele US-Amerikaner, sondern auch viele Deutsche.

Aber warum eigentlich? Weil er so populistisch daherredet? Weil ein Unerfahrener eines der wichtigsten politischen Ämter der Welt übernehmen will? Weil er unhaltbare Versprechen macht? Oder auch, weil er bewusst und wiederholt falsche Fakten verbreitet? Er keine Ahnung hat, wie er seine Ziele erreichen will? Und seine Anhänger ihn dennoch gegen jegliche Kritik verteidigen? Das sind gute Gründe. Nur: All das trifft auch auf Bernie Sanders zu, den Hoffnungsträger vieler Linker – auch in Deutschland. Der hiesige SPD-Nachwuchs etwa ruft zur Unterstützung des US-Senators auf (wie auch immer das gehen soll), die Linkspartei schickte eine Delegation nach New York, um seinen Wahlkampf zu studieren, und auch so manche Journalisten können in ihren Beiträgen ihre Faszination für den 74-Jährigen nicht verbergen.

Das liegt sicher ja daran, weil er als Außenseiter gestartet ist – das war Trump auch. Dass er das Establishment herausfordert – so wie Trump. Und dass er eine Revolution verspricht. Nur eben keine reaktionäre, sondern eine linke.

Nun darf man gern seine linken Positionen mögen und teilen. Das Problem dabei ist, dass viele darüber zu gern seine Defizite und Scheinheiligkeiten übersehen – aber diese den Gegenkandidaten vorwerfen.

Revolutionsversprechen statt Strategie
Sanders hat nur ein großes Versprechen: Dass mit ihm alles anders und besser werde. Das hat er nicht nur mit Trump gemein, sondern auch mit der AfD und Teilen der Linkspartei. So wurde Sanders mehrfach in Interviews und bei Debatten gefragt, wie er denn seine ambitionierten Ziele erreichen wolle. Seine Antwort: Naja, wenn der Kongress nicht zustimmt, dann werde es eben eine Volkserhebung geben. Als wenn die Obamania 2008 nicht bewiesen hätte, dass Wählereuphorie flüchtig ist und politische Widerstände nicht einfach wegfegen kann: Obama konnte seine vielen großen Versprechen im ersten Jahr nicht einlösen, worauf sich nicht etwa seine Wähler zur Unterstützung erhoben, sondern sich vielmehr desinteressiert abwandten – und die Demokraten bereits 2010 ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus verloren. Was hat Sanders daraus gelernt? Er hat darauf keine Antwort

Luftige Ankündigungen statt konkrete Inhalte
Oder man lese nochmal sein entlarvendes Interview mit der „New York Daily News“: Er hat kein Konzept, wie er die Big Banks aufspalten will. Kein einziges. Er weiß noch nicht einmal, wer dafür zuständig ist und wie das praktisch umgesetzt wird: “I don’t know if the Fed has it. But I think the administration can have it.” Er weiß es nicht. Dabei ist das angeblich sein wichtigstes Anliegen.

Überhaupt: Warum sind Big Banks grundsätzlich ein Problem? Nur weil sie groß sind? Für Bernie Sanders reicht das als Argument bereits aus. Nun kann Größe ein Problem sein, wenn sie dadurch unnötige Risiken eingehen, deren Folgen dann (too big to fail) der Staat einfangen muss. Aber kleine und mittlere Banken gehen ebenso untragbare Risiken ein, man denke nur an die Hypo Real Estate, die deutschen Landesbanken oder die isländischen Banken. Die größte Bankenkrise vor 2007 in den USA, die 124 Mrd. Dollar an Staatshilfen kostete, wurde verursacht von 1000 kleinen und mittleren Savings and Loans, der amerikanischen Version von Sparkassen.

Und zum gering regulierten Schattenbankensystem – Finanzhändler wie Investmentfonds über Hedgefonds, Fondsgesellschaften, Versicherer bis hin zu Derivateanbietern – hat Sanders ebenfalls kaum Substanzielles zu sagen. Dabei haben sie die Lehman-Krise letztlich verursacht.

Es gibt zweifellos noch einiges zu tun in diesem Bereich, auch nach Dodd-Frank-Gesetz, Basel-III-Vorschriften, Bankenunion und Bafin. Wer aber so tut, als sei Zerschlagen die beste und einzig notwendige Lösung, der glaubt auch an die Heilkraft von Mauern und Sätzen wie “Der Islam gehört nicht zu Deutschland”.

Anti-Establishment als Vorteil
Man stelle sich mal vor, man geht zu seinem Zahnarzt, und der schwärmt, wie wenig praktische Erfahrungen er habe und dass er nichts mit seinen Kollegen zu tun haben will. Aber das mache ja nichts, so habe er einen ganz frischen Blick auf die Probleme des Patienten. Würde man so einem seine Zähne anvertrauen? Seine Zukunft?

Genau das machen Trump und Sanders, oder auch die AfD: Wer Erfahrung in politischen Ämtern gesammelt hat, wer also weiß, wie man Mehrheiten organisiert, wie Gesetze formuliert, wie schlicht Politik gemacht wird, der ist ihnen bereits suspekt – unabhängig davon, welche Positionen sie vertreten. Dabei kann man auch als Außenseiter nicht einfach die Arbeitsweisen riesiger Institutionen wie Parlamenten, Parteien und Regierungsapparaten ignorieren. Man muss sie kennenlernen und verstehen. Erst recht, um zu wissen, wie sie zu reformieren sind. Sonst scheitert man an ihnen.

Ganz zu schweigen, dass jemand wie Sanders, der seit knapp zehn Jahren Mitglied im US-Senat ist und zuvor 16 Jahre im Repräsentantenhaus saß, als Außenseiter kaum glaubhaft ist. Er inszeniert sich aber als solcher. Und seine Anhänger nehmen es hin.

Schuld sind immer die Anderen
Wenn es mal nicht läuft, hat man natürlich nie selbst Fehler gemacht, sondern wurde von Anderen betrogen. Problematische Zitate stimmen nie, sondern sind aus dem Zusammenhang gerissen, rechtskräftige Verurteilungen und Klagen sind natürlich nur politisch motiviert – und Niederlagen in Abstimmungen gibt es nur, weil die Regeln manipuliert wurden. Das haben Trump wie Sanders tatsächlich behauptet, wenn es mal nicht lief. Obwohl etwa die Vorwahl-Regeln der einzelnen Staaten lange beschlossen wurden, bevor jemand die Kandidatur der beiden wirklich ernst nahm. Sanders etwa beschwert sich, dass bei mehreren parteiinternen Vorwahlen nur Demokraten das Wahlrecht hatten. Dabei ist das eigentlich das Grundprinzip einer parteiinternen Wahl. Oder er behauptet, dass Hillary Clinton nur wegen der “Superdelegates” (Funktionäre und Abgeordnete) vorn liege – die seien undemokratisch. Um dann aber um sie zu werben, damit sie beim Parteitag für ihn stimmen sollen. Obwohl Clinton sowohl mehr normale Delegierte (1704:1414) gewonnen hat als auch mehr Staaten (25:19) und drei Millionen mehr Stimmen von der Basis erhielt (12  vs. 9 Millionen) als ihr Gegenkandidat.

Man muss Politiker wie Hillary Clinton – oder auch Politiker wie Merkel oder Gabriel – weder persönlich mögen noch unbedingt ihre inhaltlichen Positionen teilen. Man muss ihnen aber zugestehen, dass sie begriffen haben: Politischer Wandel ist nur durch harte Verhandlungsarbeit und in vielen kleinen, komplexen Schritten zu bekommen, ohne klare Aussicht auf die tatsächlichen Folgen, ohne Hoffnung, dass es die ewige, perfekte Lösung gibt. Wahlkämpfer wie Sanders, Trump, Wagenknecht oder Petry tun so, als wäre das anders, als wenn Politik so einfach wäre wie ein TV-Kanal-Wechsel. Wer ernsthaft über Politik diskutieren will, kann solche Versprecher nicht ernst nehmen.

Falk Heunemann, Autor in Berlin, schreibt die OC-Kolumne „Auf einen Klick“ jeden Donnerstag. Heunemann auf Twitter folgen: @der_heune

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