Wie Gauland wirklich ist

Von Volker Warkentin am 7. Juni 2016

Der AfD-Vize gab sich lange als honoriger Konservativer. Doch jetzt hat der Mann aus Potsdam seine Maske fallen lassen.

Der AfD-Vize Alexander Gauland stand bislang im Ruf eines honorigen Konservativen. Den stets korrekt frisierten und im feinen englischen Tweed gekleideten Gauland konnte man sich gut am Kamin vorstellen, wie er bei einem Glas edlen schottischen Whiskys über Gott und die Welt gepflegte Konversation treibt (wenn auch nicht über Fußball). Gauland kam dem Idealbild eines Konservativen ziemlich nahe, das Theodor Fontane einst mit Dubslav von Stechlin zeichnete. Der knorrige märkische Landmann aus des Dichters Alterswerk „Der Stechlin“ wusste freilich auch, dass bei Konservativen die Grenze zum Reaktionären fließend ist und wählte seine Worte sorgfältig, um nicht aufs falsche Terrain zu geraten.

Gauland kennt die Grenze zum Reaktionären und zum Völkisch-Nationalistischen auch. Und er hat sie bewusst überschritten. Konnte man seinen Äußerungen über den deutschen Weltklasse-Fußballer Jerome Boateng noch eine dem fortgeschrittenen Alter geschuldete Zauseligkeit unterstellen, so hat er am 2. Juni in einer Rede in Elsterwerda Klartext geredet. Und der ist tiefbraun. Nach der von der FAS dankenswerter Weise im Wortlaut abgedruckten Ansprache bediente sich der einstige Chef der hessischen Staatskanzlei schamlos beim Vokabular der Rechtsextremisten: „Heute sind wir tolerant und morgen fremd im eigenen Land“, tönte Gauland. Solche Parolen kannte man bislang nur aus dem Dunstkreis von Pegida und NPD.

Angela Merkel ist in Gaulands Augen eine „Kanzler-Diktatorin“, die Deutschland durch die Aufnahme von Flüchtlingen völlig umkrempele. Der aus seiner Sicht zum Scheitern verurteilte Versuch, „junge, ungebildete Muslime“ in Deutschland zu integrieren, „wird uns irrsinnig Beträge kosten, Geld, das wir alle für viel anderes gebrauchen können“. „Deutsches Geld für deutsche Aufgaben“ – so wagten sich bisher nur die Rechtsextremisten von der DVU aus der Deckung. „Wir sind die Deutschen! Und wir wollen es bleiben“, krakeelt Gauland, als stünden die Hunnen vor der Tür.

Das hat nichts mehr mit den Attributen liberal und konservativ zu tun, die sich die AfD programmatisch gerne ans Revers heften möchte. Gauland hat die Maske fallen gelassen, und er hat es auch nicht mehr nötig, wie der böse Wolf im Märchen Kreide zu fressen. Der Mann ist mit Brandbeschleunigern und Streichhölzern unterwegs. Seine Parteivorsitzende Frauke Petry hat der brandgefährliche Gauland längst rechts überholt. Nazi-Vergleiche sind in den meisten Fällen wenig hilfreich, weil sie allzu schnell zur Keule werden, mit der jede Diskussion verhindert wird. Hier aber sind sie angebracht.

Wie weiland der dicke Reichsmarschall Hermann Göring ( „Wer Jude ist, bestimme ich!“) ist Gauland dabei, Andersfarbige und –gläubige nach Gutsherrenart in Gute und Schlechte einzuteilen. Nachdem er den Schwarzen Boateng als Sohn einer deutschen Mutter und als gläubigen Christen willkommen geheißen hat, zielt er nun auf dessen Nationalmannschafts-Kameraden Mesut Özil. „Ich darf Zweifel bei Menschen haben, die nun mal die Kaaba umrunden“, sagte er zu Özils Pilgerfahrt nach Mekka. Und was, wenn der gebürtige Türke die Deutschen mit dem entscheidenden Tor zum Europameister macht?

Volker Warkentin, Autor in Berlin, wollte die AfD journalistisch eigentlich rechts liegen lassen und nichts mehr über die Partei schreiben. Gauland zwang ihn nun doch noch mal dazu. Die OC-Kolumne „Warkentins Wut“ erscheint dienstags.

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