Wer regiert hier eigentlich?

Von Volker Warkentin am 16. August 2016

Selbst eigentlich besonnene CDU-Innenminister wie Lorenz Caffier aus Mecklenburg-Vorpommern und Frank Henkel aus Berlin tun sich plötzlich mit ausländerfeindlichen Forderungen hervor. Dabei geht es weniger um den Schutz vor dem islamistischen Terror als um Wahlkampf gegen die AfD.

Als seien sie unter die Quartalsirren geraten, verlangen Lorzenz Caffier und Frank Henkel Henkel, die Landesinnenminister von Mecklenburg-Vorpommern und Berlin, im Verein mit anderen Länder-Kollegen aus der Union ein Verbot von Burkas und die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft. Damit brüskieren sie nicht nur den Koalitionspartner SPD, sondern auch ihren Parteifreund, den Bundesinnenminister Thomas de Maiziere. Die Hardliner-Forderungen nach einer Ächtung von Ganzkörperschleier und Doppel-Pass sind sachlich durch nichts begründet, sondern von der Angst vor der rechtspopulistischen AfD diktiert.

Einen Monat vor den Wahlen sitzt die AfD den Christdemokraten in beiden Ländern im Nacken. In Meck-Pomm trauen die Demoskopen den Rechtsaußen zu, aus dem Stand stärkste Partei zu werden. In Berlin liefern sich SPD, CDU, Grüne, Linke und AfD einen Fünfkampf mit Stimmenanteilen zwischen 15 und 20 Prozent. Die Sozialdemokraten unter dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller haben die Nase zwar leicht vor, doch könnten ihnen die Grünen noch den ersten Platz streitig machen.

Innensenator Henkel gibt nicht nur mit den Schlachtrufen gegen Burka und die doppelte Staatsbürgerschaft den starken Max. Er kündigt zugleich einen konsequenten Kampf gegen politisch motivierte Gewalt und die Kriminalität an. Ausgerechnet der, reibt sich der Beobachter verwundert die Augen. Schließlich hatte Henkel als Chef des Innenressorts mit der Zuständigkeit für Deutschlands größte Polizeibehörde fünf Jahre lang Zeit gehabt, mit kräftiger Handschrift gegen Kriminelle und Gewalttäter auszuteilen.

Doch weit gefehlt. Die militante Hausbesetzer-Szene in Friedrichshain-Kreuzberg tanzt der Polizei nach wie vor auf der Nase herum. Peinlicherweise hat die Justiz einen der jüngsten Polizeieinsätze gegen die Linksautonomem für rechtswidrig erklärt. Und die „normale“ Kriminalität bekommen Henkel und die Polizei auch nicht in den Griff. Beim Massendelikt Fahrraddiebstahl etwa ist die Aufklärungsquote auf 3,6 Prozent zurückgegangen. Machtlos scheint die Polizei nur noch den Mangel zu verwalten, wie der Autor dieser Zeilen nach dem vierten Fahrradklau in sechs Jahren selbst erleben musste.

Wer jetzt wie Henkel einen harten Kurs in der Sicherheits- und Kriminalpolitik ankündigt, redet wie ein von der Macht fern gehaltener Oppositionspolitiker. Nach fünf Jahren als Innensenator ist das unglaubwürdig und wird nicht gegen den Populismus der AfD helfen. Der Fairness halber muss aber angemerkt werden, dass auch die SPD teilweise so tut, als sei sie seit 1991 von der Macht fern gehalten worden.

Volker Warkentin, Autor in Berlin und SPD-Mitglied, hat sich in seinem langen Journalistenleben immer wieder mit Fragen politischer Gewalt und der Verbrechensbekämpfung befasst. Seine OC-Kolumne „Warkentins Wut“ erscheint immer dienstags.

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