Wie wir Omran helfen können

Von Andreas Theyssen am 22. August 2016

Bilder wie das des schockstarren, blutverschmierten Fünfjährigen aus Aleppo müssen nicht einfach hingenommen werden. Es gibt durchaus die Möglichkeit, etwas zu tun.

Manchmal sind es Bilder, die die Welt verändern.

1972 waren es die Fotos und Filmaufnahmen der kleinen, von Napalm verbrannten Kim Phuc Phante, die den Anfang vom Ende des Vietnamkrieges markierten.

2015 war es das Foto des toten dreijährigen Alan Kurdi aus Kobane, ertrunken im Mittelmeer, angespült an einem türkischen Strand, das dazu führte, dass Europa Hunderttausende syrische Flüchtlinge aufnahm.

Und 2016 könnte das Foto des fünfjährigen Omran aus Aleppo – staub- und blutverschmiert, apatisch in einem Krankenwagen sitzend – jenes Bild sein, das etwas verändert.

Könnte? Es muss!

Seit fünf Jahren tobt der Krieg in Syrien, der als Bürgerkrieg begann und längst die Qualität eines regional begrenzten Weltkrieges hat, weil die USA und Nato-Staaten, Russland, der Iran, die libanesische Hisbollah, irakischen Kurden-Einheiten und die multinationale Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) mitmischen. Ein Krieg, der bislang mehr als 400.000 Menschen – meist Zivilisten – das Leben gekostet hat. Ein Krieg, durch den 12 Millionen Syrier – die Hälfte der Gesamtbevölkerung – ihr Zuhause verloren haben und knapp fünf Millionen außer Landes flüchteten.

Das, was der kleine Omran er- und knapp überlebt hat, ist Alltag in Syrien: Luftangriffe auf zivile Ziele durch syrische sowie russische Jets und Hubschrauber, gelegentlich auch durch Bomber der US-geführten internationalen Anti-IS-Koalition. Und das ist es, was diesen Krieg so besonders unerträglich macht – Hightech-Waffen und primitive Fassbomben gegen Kinder wie Omran.

Es ist ein Verbrechen gegen die Menschheit, gegen die Menschlichkeit, gegen alles, was die menschliche Zivilisation ausmacht. Auch wenn dieses Verbrechen bereits seit mehr als fünf Jahren andauert – es muss aufhören. Sofort. Damit Omran diesem Verbrechen nicht doch noch endgültig zum Opfer fällt, so wie sein zehnjähriger Bruder.

Es gibt eine Möglichkeit, dieses Verbrechen zu stoppen. Eine Möglichkeit, die in den letzten fünf Jahren immer wieder diskutiert, aber nie angepackt wurde. Eine Möglichkeit, die durch Russlands Einstieg in den Syrien-Krieg zwar nicht einfacher geworden, aber immer noch eine Option ist. Sie heißt Flugverbotszone.

Dass Luftangriffe auf Zivilisten zutiefst inhuman sind, dürfte in der UNO weitgehend Konsens sein. Sie müsste die Einrichtung einer Flugverbotszone über Syrien beschließen. Sicherlich, es gibt die notorischen Neinsager Russland und China, die ein Veto einlegen könnten. Aber würden sie es wirklich wagen, sich dem Schutz von Zivilisten zu verweigern? China nimmt immer aktiver an UN-Aktionen teil und würde die Anerkennung, die es dadurch bislang erlangt hat, auf einen Schlag verspielen.

Und Wladimir Putin? Er schlachtet jede Lebensmittellieferung in Syrien durch russische Soldaten propagandistisch aus. Würde er sich die Chance entgehen lassen, seinen Humanismus unter Beweis zu stellen, indem er den Menschen in Syrien durch eine Flugverbotszone in noch viel größerem Maße hilft? Würde er es durch sein Veto im UN-Sicherheitsrat wirklich riskieren aller Welt zu zeigen, dass es ihm alleine um Machtpolitik geht und dass ihm Menschenleben völlig gleichgültig sind?

Putins Anspruch, ein globaler Player zu sein, könnte dabei Rechnung getragen werden. Denn russische Jets würden zusammen mit den Maschinen der internationalen Koalition dafür sorgen, dass die Flugverbotszone nicht verletzt wird. Russland würde also aktiv dazu beitragen, dass keine Zivilisten mehr durch aus Flugzeugen oder Hubschraubern abgeworfene Bomben sterben.

Machen wir uns nichts vor: Eine Flugverbotszone würde den Krieg in Syrien nicht beenden. Auch Zivilisten, auch Kinder würden weiter sterben, da Regierungstruppen wie Rebellen mit Artillerie und Scharfschützen Wohngebiete angreifen. Aber eine Flugverbotszone würde deutlich die Chance erhöhen, dass Omran – wie Zehntausende andere Kinder – diesen Krieg überlebt.

Andreas Theyssen, Autor in Berlin, verfolgt den Syrien-Krieg seit dessen Ausbruch 2011.

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