Rechtspopulisten gehen mit dem Holzschnittmesser besser um

Von Volker Warkentin am 30. August 2016

Politiker im Wahlkampfmodus geben ihr Urteilsvermögen oft an der Garderobe ab. Den treffenden Beleg liefert wieder einmal Bundesinnenminister Thomas de Maizière.

Unter Federführung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière beschloss das Bundeskabinett in der vorigen Woche ein neues Zivilschutzkonzept, das neben manch vernünftigen Regelungen für den Krisen- und Katastrophenfall auch Vorschläge zur Bevorratung von Lebensmitteln enthält. So soll die Bevölkerung angehalten werden, ausreichend Nahrungsmittel und vor allem Trinkwasser für mehrere Tage bereit zu halten.

Zwar leben wir in Deutschland nicht in der besten aller Welten, wie die drei Anschläge und/oder Amokläufe vom Sommer in Bayern gezeigt haben. Doch das Konzept, das an die Zeit des Kalten Krieges anknüpft, geht völlig daneben. Es ist allenfalls geeignet, Panik und Unruhe zu erzeugen, die de Maizière mit seinem Vorstoß doch eigentlich verhindern wollte. Seine Vorschläge suggerieren, dass islamische Extremisten mit Massenheeren Europa einnehmen wollen. Die Gefährlichkeit von Terrororganisationen wie dem Islamischen Staat, der Al-Kaida oder der Taliban soll nicht bestritten werden. Doch sie sind weit davon entfernt, wie einst die sowjetische Armee große Panzerschlachten schlagen zu können.

De Maizières Ideen sind wenig durchdacht und sie erinnern an die hilflosen Versuche aus den 50er und 60er Jahren des vergangen Jahrhunderts, sich mit einer Aktentasche im Nacken gegen Explosionen von Atomwaffen zu schützen. Der Vorschlag zum Anlegen von Vorräten sollte dort landen, wohin auch die Konzepte aus der Zeit der des Ost-West-Konflikts gehören: auf die Müllkippe.

Doch wie gesagt, im Wahlkampf wird lieber einmal zu wenig als zu viel nachgedacht. Schließlich muss de Maizières CDU in Zeiten der Flüchtlingskrise und des islamischen Terrorismus die AfD in Sicherheitsfragen übertreffen – und seien die Vorschläge noch so unsinnig. Nur wird die CDU dieses Mal nicht punkten können, weil die rechten Populisten mit dem Holzschnittmesser besser umgehen können als die wackeren CDUler vom Schlage des Innenministers. Die AfD wird nämlich genüsslich darauf hinweisen, dass CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel die Grenzen für eine Million Flüchtlinge geöffnet und damit den Islamisten – zumindest aus Sicht der AfD – ein Einfallstor nach Europa geschaffen hat. Diese Argumentation kommt bei konservativ gestimmten und simpel gestrickten Menschen allemal besser an als alle intellektuellen Verrenkungen.

Volker Warkentin, Journalist in Berlin, kann sich noch an Broschüren mit Titeln wie „Jeder hat eine Chance“ erinnern, in denen Aktentaschen und Tische allen Ernstes als Schutz gegen explodierende Atomwaffen dargestellt wurden. Seine OC-Kolumne „Warkentins Wut“ erscheint immer dienstags.

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