Am Zuckerhut haben Putschisten im Nadelsteifen die Macht ergriffen
Der brasilianische Senat hat die linke Präsidentin Dilma Rousseff unter fadenscheinigen Vorwürfen aus dem Amt geputscht. Da hat sich der Bock zum Gärtner aufgeschwungen.
Zugegeben: Dilma Rousseff war keine gute Präsidentin, und hat sich ihren Niedergang zum großen Teil sich selbst zuzuschreiben. Doch verursacht hat sie die schwere Wirtschaftskrise in dem lateinamerikanischen Land nicht. Die wurde durch den Verfall des Ölpreises und den Einbruch der chinesischen Wirtschaft als größtem Abnehmer brasilianischer Waren ausgelöst. Dass Rousseff in dieser Situation zu den üblichen Steuertricks griff, derer sich auch ihre rechten Vorgänger bedienten – geschenkt. Da hätte in Brasilien normalerweise keine Krähe der anderen ein Auge ausgehackt.
Doch Rousseffs Gegner, die ausnahmslos der Oberschicht angehören, wollten die linke Staatschefin unbedingt stürzen. Dazu war ihnen jedes Mittel recht. Aber ihre Anklagepunkte gegen die Präsidentin überzeugten selbst die Staatsanwälte nicht. Drei der sechs Punkte fielen in sich zusammen. Die restlichen Punkte widerlegte sie vor den Senatoren. Doch es half nichts. Rousseff war zum Abschuss freigegeben. Und so kam es.
Dass ausrechnet Rousseffs konservative Opponenten ihr Amtsmissbrauch und Korruption vorwarfen, ist ein Treppenwitz der Geschichte. Denn die große Mehrheit der Senatoren, darunter Rousseffs von der Kammer eingesetzter Nachfolger Michel Temer, steht im Ruf, bis auf die Knochen korrupt zu sein. Ausgerechnet die erhoben sich nun zu Anklägern und Richtern über Rousseff. Da könnte man den Grafen Dracula auch zum Chef einer Blutbank machen.
Unter Temer, der bis 2018 im Amt bleiben soll, stehen Brasilien schwere Zeiten bevor. Und das nicht nur wegen der akuten Wirtschaftskrise. Denn Temer will Brasilien eine konservative Wende aufzwingen. Für die hat er aber kein Mandat als vom Volk gewählter Präsident.
Volker Warkentin, Autor in Berlin, ist seit seinen beruflichen Anfängen vor mehr als 40 Jahren von Brasilien fasziniert – und das nicht nur wegen des Fußballs.