Und der nächste Bundespräsident heißt…Winfried Kretschmann
Die Spekulationen über die Nachfolge von Joachim Gauck in Schloss Bellevue sind müßig. Denn es gibt nur einen einzigen realistischen Kandidaten.
Frank-Walter Steinmeier ist Deutschlands beliebtester Politiker. Es spricht also wenig dagegen, dass er als Nachfolger von Joachim Gauck nächster Bundespräsident wird. Er ist honorig, mehr Sach- als Parteipolitiker. Und dass er trotz Krim-Annexion, trotz Einmarschs in die Ostukraine und trotz der Bombardierungen syrischer Zivilisten versucht, mit Moskau im Gespräch zu bleiben, das zeigt, dass er inhaliert hat, dass Worte die schärfte Waffe der Politik sind. Eine andere Waffe haben Bundespräsidenten nämlich nicht.
Steinmeier wird dennoch nicht ins Schloss Bellevue einziehen. Denn ein Dreivierteljahr vor der Bundestagswahl werden weder CDU noch CSU ihm ihre Stimmen geben. Zu groß – und wohl auch zu berechtigt – ist deren Angst, dass die Wahl des Sozialdemokraten Steinmeier als Vorzeichen für die Parlamentswahl gesehen werden könnte.
Wenn nicht Steinmeier – wer dann? Die Antwort ist simpler als es scheint. Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg und Mitglied der Grünen, wird Gauck beerben. Warum? Weil kaum jemand wirkliche Gründe hat, gegen ihn zu sein.
Zunächst einmal: Kretschmann war einmal Mitglied einer K-Gruppe, ist heute bei den Grünen. Doch er hat es geschafft, in Baden-Württemberg, dem einstigen Stammland der CDU, zweimal hintereinander Ministerpräsident zu werden. Er, der praktizierende Katholik, hat es auch geschafft, dass ein durch und durch bürgerliches Bundesland sich von ihm gut vertreten fühlt. Der Mann eint Alt-68er und Konservative – eine hervorragende Voraussetzung, um Bundespräsident der Bundesrepublik zu werden.
Bundespräsidenten werden nicht von Volk gewählt, sondern von der Bundesversammlung, einem Hybrid aus Bundestag und Länderparlamenten. Das heißt, dass bei der Wahl parteipolitische Kriterien ausschlaggebend sind. Und auch das spricht für Kretschmann.
Vor einigen Wochen wurde bekannt, dass Angela Merkel den Mann aus Stuttgart ins Kanzleramt eingeladen hatte. Solche Treffen werden nicht öffentlich bekannt, wenn nicht mindestens eine Seite daran Interesse hatte. Was wiederum zu Spekulationen führte, ob Merkel mit Kretschmann über die Bundespräsidenten-Frage gesprochen hat. Sie hat.
Für Merkel ist Kretschmann eine Art Traumkandidat, vor allem auch aus parteipolitischen Gründen. Will sie angesichts der zersplitternden Parteienlandschaft nicht auf ewig an die Sozialdemokraten gekettet sein, braucht sie die Grünen. Schwarz-grün wäre schon nach der Bundestagswahl 2013 zustande gekommen, hätten nicht Alt-Grüne wie Jürgen Trittin und Claudia Roth die Gespräche torpediert.
Welch besseres Signal für Schwarz-grün ab 2017 könnte es geben, als den Grünen Kretschmann zum Bundespräsidenten zu wählen? Es ist ein Angebot, dass die Grünen schlichtweg nicht ablehnen können – auch wenn ihnen bewusst sein dürfte, was Merkels strategisches Kalkül dahinter ist.
Das Interessante ist, dass auch die SPD Kretschmann nicht ablehnen kann. Auch die Sozialdemokraten buhlen um die Grünen, brauchen sie, um sich aus der für sie verheerenden Großen Koalition zu lösen und um sich die Option Rot-rot-grün offen zu halten.
Bleibt nur die CSU. Sie sträubt sich noch, Kretschmann zu küren – obwohl Parteichef Horst Seehofer mit dem Mann aus Stuttgart hervorragend kann. In großen Kreisen der Bayern-Partei werden die Grünen immer noch als der Leibhaftige angesehen. Dennoch gibt es ein Argument, dem sich auch die Erzkonservativen aus dem Freistaat nicht entziehen können: Angesichts der offenen Liebäugelei der Sozialdemokraten mit Rot-rot-grün haben sie keinerlei Sicherheit, dass die SPD als Koalitionspartner überhaupt zur Verfügung steht. Und noch abschreckender als die Grünen finden CSUler den Gedanken, ab Herbst im Bundestag in der Opposition zu sitzen.
Und mit noch einem Argument können die Bayern gewonnen werden: Nach der derzeitigen Umfragelage wird es zur Regierungsbildung nicht reichen, wenn sich eine große und eine kleine Partei zusammentun. Es wird also weder Schwarz-grün noch Rot-grün, weder Schwarz-gelb noch Rot-gelb geben. Will Angela Merkel ohne die SPD weiterregieren, geht das nur mit „Jamaika“, mit Schwarz-gelb-grün. Und die FDP, so dürfte Merkel argumentieren, wird mit dafür sorgen, dass absurde grüne Vorstellungen wie der Vegi-Day nicht Regierungsprogramm werden.
Und was meint Kretschmann selber zu dem ganzen parteipolitischen Kalkül? Er hat das Undenkbare geschafft: Er wurde der erste grüne Ministerpräsident der Bundesrepublik, und das auch noch ein einem sehr konservativen Bundesland. Er hat es geschafft, wiedergewählt zu werden. Von nun an kann es für ihn selber in Stuttgart nur noch bergab gehen. Also hat er Ja gesagt, als Merkel ihn fragte. Er wird also Joachim Gauck folgen. Und er wäre wahrlich nicht die schlechteste Wahl.
Andreas Theyssen, Autor in Berlin, berichtet seit der Wahl Roman Herzogs über Bundespräsidentenwahlen.
Zaunkoenigin am 10. Oktober 2016
das wäre so ziemlich die schlechteste Wahl die getroffen werden könnte. Und was diesen Menschen auszeichnet, das hat sich mir nicht erschlossen. Auch nicht, nachdem ich Ihren Artikel mehrmals gelesen habe.
Aber da wir alle darauf keinen Einfluss haben, lohnt eine Diskussion darüber nicht wirklich.
TGR am 11. Oktober 2016
Hr. Theyssen - die letzten drei Sätze lesen sich fast, als hätten Sie exklusive Informationen, von denen die restliche Medienwelt noch nichts ahnt (oder die aus sinisteren Gründen zurückgehalten werden). Könnte es nicht doch anders kommen?
Winfried Kretschmann sollte sich nur an den letzten Ministerpräsidenten erinnern, der aus dem Amt heraus sich ins Schloss Bellevue begeben hat. Die Rückendeckung der Bundeskanzlerin blieb ihm versagt. Vielleicht nicht doch besser eine letzte Amtszeit in Würde in BW und dann in den Ruhestand?
Zaunkoenigin am 12. Oktober 2016
http://www.swr.de/landesschau-aktuell/bw/landtagsdebatte-zu-gruen-schwarzen-geheimabsprachen-eingestaendnis-und-attacke/-/id=1622/did=18295538/nid=1622/5gd1tz/index.html
Wer so eine Vetterleswirtschaft mit trägt und auch noch als rechtens empfindet, der hat nicht den Charakter, den ich mir für einen Bundespräsidenten wünsche.
Andreas Theyssen am 13. Oktober 2016
@TGR
Nun ja, exklusiv sind die Informationen nicht, denn davon wissen auch andere Leute. Z.B., diejenigen, von denen ich die Informationen habe. Und falls Informationen zurückgehalten werden, dann muss das nicht zwingend "sinistere Gründe" haben. Wenn Sie die Höhe Ihres persönlichen Einkommens nicht kommunizieren, dann ist das ja auch nicht sinister, sondern z.B. eine Frage des Selbstschutzes. Warum also sollte Kretschmann sein "Ja" nach außen kommunizieren, solange noch unklar ist, ob etwa die CSU mitzieht.