Herzlichen Glückwunsch, Stiefelstaatler

Von Volker Warkentin am 6. Dezember 2016

Das Jahr hat schon viel gesehen, siehe Brexit, siehe Trump. Der Preis des Jahres 2016 für Dummheit geht dennoch an Italien.

Die Freude, dass ausgerechnet die Populismus-affinen Österreicher am Sonntag den Rechten bei der Präsidentenwahl eine deutliche Abfuhr erteilten, dauerte nicht lange an. Denn aus Italien kam es knüppeldick. So eindeutig wie in Österreich eine Mehrheit den Grünen-Politiker Alexander Van der Bellen zum Staatsoberhaupt machte, so klar fiel in Italien der Sozialdemokrat Matteo Renzi durch. Sein Versuch, die seit Jahren durch den Rechtspopulisten Silvio Berlusconi heruntergewirtschaftete Apennin-Halbinsel zu modernisieren, scheiterte kläglich. Gestoppt wurde die Verfassungsreform durch eine unselige Allianz von ganz Rechts bis ganz Links. Ministerpräsident Renzi kündigte noch am Abend seinen Rücktritt an.

Selbst schuld, vorwärts im „Weiter so“, könnte man spötteln, wenn die Folgen auf das Land beschränkt wären. Doch die Neuauflage der Krise in der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone wird unmittelbar auf die Gemeinschaft durchschlagen. Das marode Bankensystem des Landes wird kollabieren, die Wirtschaft ins Bodenlose stürzen. Was folgt, dürfte schmerzhafter sein, als es die Reformen Renzis je gewesen wären.

Aber was soll’s. Denen „da oben“ haben sie es mit dem Nein zu entschlackten Politik- und Verwaltungsverfahren gezeigt. Die Mehrheit der Italiener hat mit dem Bauch und nicht mit dem Kopf abgestimmt. Renzi wurde stellvertretend für die politische Kaste abgestraft, der die Mittelschicht die Schuld an sinkenden Einkommen zuschreibt. Der als „Verschrotter“ angetretene Renzi landete selbst auf dem Schrotthaufen.

Dass die Rechten und die Ultrarechten einen Sozialdemokraten nicht mögen und ihm die Stimme verweigern – geschenkt. Es ist aber fatal, dass auch die Linken am Sturz einer Regierung mitwirkten, die ihnen trotz ideologischer Differenzen nahe steht. Das Gesamtszenario erinnert fatal an das Ende der Weimarer Republik, als Nazis und Kommunisten gemeinsame Sache gegen die Demokratie machten. Besonders heftig vertrat die KPD die These vom Sozialfaschismus, wonach die SPD gefährlicher sei als die Nazi-Partei. Dass in Italien diese Haltung nun à la Bolognese eine Neuauflage erlebt, verheißt für das Europa des Jahres 2017 nicht Gutes.

Das Ergebnis des Referendums zeigt wieder einmal, dass Volksabstimmungen untauglich sind zur Entscheidung über komplizierte Sachverhalte. Nicht, dass das Volk dümmer wäre als seine gewählten Abgeordneten. Aber Fehlentscheidungen von Parlamenten lassen sich nach einigen Jahren revidieren, Referenden nicht. Denn deren Ergebnisse sind wie Gottesurteile in Stein gemeißelt.

Volker Warkentin, Autor in Berlin, schreibt die OC-Kolumne „Warkentins Wut“ jeden Dienstag.

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Zaunkoenigin am 6. Dezember 2016

also nix für ungut. Ich stimme ja in weiten Teilen zu, aber diese Schlussfolgerung halte ich für sehr Obrigkeitshörig:
"Das Ergebnis des Referendums zeigt wieder einmal, dass Volksabstimmungen untauglich sind zur Entscheidung über komplizierte Sachverhalte. Nicht, dass das Volk dümmer wäre als seine gewählten Abgeordneten. Aber Fehlentscheidungen von Parlamenten lassen sich nach einigen Jahren revidieren, Referenden nicht. Denn deren Ergebnisse sind wie Gottesurteile in Stein gemeißelt."

wenn sich unsere Politiker elementar vertun, dann ist das im Rahmen der Tätigkeit. Wenn sich eine Bevölkerung vergaloppiert, dann ist es politisch unfähig? Abgesehen davon, dass es sich immer erst noch zeigen muss, ob es eine Fehlentscheidung war.

Wenn ich Revue passieren lasse was in den letzten Jahren für Fehlentscheidungen von Politikern getroffen wurde, dann wäre die hier am leichtesten reversibel.

Lars am 7. Dezember 2016

Die Entscheidung der Italiener wird sich noch als richtig erweisen. Allerdings nicht für Deutschland, denn wir sind die eigentlichen Geisterfahrer in Europa.