Trumps doppelter Wortbruch

Von Thomas Schmoll am 6. Februar 2017

Mit der geplanten Deregulierung der Banken macht der US-Präsident die Geldhäuser „great again“ – und zwar so riesig, dass sie „too big to fail“ sein werden. Das Risiko tragen Staat und Steuerzahler. Mit Politik für kleine Leute hat das absolut nichts zu tun.

In der Welt von crazy Donald existiert der Widerspruch ja bekanntlich nicht mehr. Was interessiert den irrlichternden Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika sein Wahlkampfgeschwätz und -getwitter von vorgestern. Man erinnere sich nur daran, dass Trump die Mitarbeiter der Wall Street als „Blutsauger“ bezeichnete, vor allem die Hedgefonds-Manager, die „sogar mit Mord davonkommen“ unter dem aktuellen Steuersystem.

Auch wenn niemand verstand, was der Milliardär meinte: Es kam prima an beim kleinen Mann, der Banken nur noch als Ausgeburt des kapitalistischen Systems begreift und nicht mehr auch als wichtigen Antreiber der sogenannten Realwirtschaft. Die Firmen Trumps haben bei den großen Wall-Street-Banken Kredite über viele Millionen Dollar aufgenommen – und werden es wieder tun.

Der US-Präsident bildet eine Ein-Mann-Querfront: Er kann nämlich nicht nur rechte, rassistische und chauvinistische Parolen, sondern auch das politisch andere Ufer bedienen. Mit seinen Anti-Wall-Street-Tiraden brachte er sich gegen Linksaußen Bernie Sanders in Stellung, der vergeblich versucht hatte, Hillary Clinton die Kandidatenkrone bei den Demokraten zu entreißen.

Trump griff Ted Cruz, einer der unterlegenen Herausforderer um die Kandidatur des Präsidentschaftsamtes, der von Goldman Sachs eine Million Dollar Wahlkampfhilfe erhalten hatte, mit den Worten an: „Er gehört Goldman. Er wird alles tun, was sie verlangen.“ Die Wall Street kann auf Cruz pfeifen. Sie hat mit Trump nun „ihren“ Präsidenten. Der Politikerdarsteller im Weißen Haus, der mit dem „Establishment“ brechen wollte, schart den Geldadel aus Banken und Börsen um sich, macht einen Ex-Goldman-Sachs-Mitarbeiter zum Finanzminister und einen anderen zum Wirtschaftsberater. Und nun ist er auch noch dabei, die Furie Wall Street zu entfesseln.

Trump und seine neuen Kumpane aus dem „Establishment“ deregulieren die Banken. Die neue US-Regierung will die verschärften Vorgaben für Banken zurücknehmen, die die Obama-Regierung nach der Lehman-Pleite gegen teils erbitterten Widerstand der Finanzindustrie durchgesetzt hatte und die das gefährliche Börsenroulette erschweren sollen. Viele Experten kritisieren das Gesetz, da es aus ihrer Sicht die Kreditvergabe verhindert und somit die Konjunktur bremst.. Noch gravierender: Die Vorschriften reichten beileibe nicht, den amerikanischen Staat, also die Steuerzahler, im Falle einer Bankenpleite vor Verlusten zu bewahren.

Trump muss Amerikas Geldhäuser nicht „great again“ machen – sie sind nach der staatsfinanzierten Rettung vor nicht einmal einem Jahrzehnt, dem anschließenden Konzentrationsprozess inklusive des Untergangs Hunderter kleiner, größerer und großer Banken mehr denn je „too big to fail“. Hier müsste Trump ansetzen, wenn er es ernst meint, dem Willen der einfachen Leute, die ihn gewählt haben, nachzukommen. Brauchbare Ideen führender Ökonomen aus Wissenschaft und Praxis, etwa die Eigenkapitalquote deutlich anzuheben oder die Möglichkeit der Bankenzerschlagung auf Grund staatlicher Anordnung, liegen längst auf dem Tisch

Doch aller Wahrscheinlichkeit nach werden Trump und seine Kumpane von Goldman Sachs den gegenteiligen Weg einschlagen und die Deregulierung nach dem Prinzip „Amercia first“ vollziehen. Das werden all diejenigen, die die Marktmechanismen nicht begreifen, prima finden. Das Jammern im Nachhinein, wenn die entfesselte Wall Street um sich gehauen und Kahlschlag verursacht hat, wird groß sein.

Das größte Problem aber ist: Das amerikanische Finanzdesaster am Ende des vergangenen Jahrzehnts hat die Welt in eine schwere ökonomische Krise gestürzt. Das Vertrauen in die freiheitliche marktwirtschaftliche Ordnung, die auf einem möglichst gesunden Mix aus staatlicher Regulierung, Freiwilligkeit, ethischen Maßstäben und sozialem Ausgleich beruht, war zurecht schwer erschüttert. Banken haben sich dumm und dämlich verdient – der Normalbürger hat geblecht. Nun droht der Welt ein ähnliches Szenario, verursacht von Milliardären und Multimillionären, die Regierung spielen.

Während der Finanzkrise 2008/09 hielten die Staaten rund um den Globus zusammen, die EU agierte geschlossen. Das würde schon heute nicht mehr so sein, weil in der Gemeinschaft jeder macht, was er will. Das entspricht exakt dem egoistischen und protektionistischen Tun Trumps. Wer immer noch nicht begreift, was Autokratie bedeutet, möge es sich nun endlich vor Augen führen. Spätestens mit der Deregulierung der Banken wird klar, was für ein Lügner den Globus lenkt. Trump macht Klientelpolitik und kümmert sich einen Dreck um die kleinen Leute. Stattdessen bürdet er ihnen neue Risiken auf – zur Freude des schwerreichen „Establishments“.

Thomas Schmoll arbeitet als Journalist und Ghostwriter in Berlin und hat für die Nachrichtenagenturen AP und Reuters über Finanzpolitik berichtet.

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