Generation Ahnungslos

Von Sebastian Grundke am 24. Februar 2017

Die Überalterung der Gesellschaft bringt einen verschärften Generationenkonflikt mit sich. Kennzeichnend für die Kohorten der heutigen Senioren ist vor allem ihre Ahnungslosigkeit.

Immer wieder wurde in der Vergangenheit nach Wegen gesucht, Rentner und Alte in die Gesellschaft besser zu integrieren: Ob als Business Angels und damit als erfahrene Berater junger Gründer oder als Helfer im sozialen Bereich – das alte Eisen wollte gefragt bleiben und hat sich für sein Engagement feiern lassen. Dass derlei geht, ist nicht zuletzt der modernen Medizin und unserem Gesundheitssystem zu verdanken.

Zweifelsohne haben ältere Menschen ihren Platz in der Gesellschaft. Ebenso unstrittig ist, dass sie ihn behaupten können, wenn sie das möchten, wie etwa durch soziales Engagement. Doch an den Herausforderungen von Globalisierung und Digitalisierung sind diese Generationen gescheitert. Zu oft haben sie die Augen verschlossen vor den Konsequenzen, die beide mit sich bringen. Stattdessen haben sie festhalten wollen an Dingen, die ihnen teuer erschienen – und die sie zuvor abschaffen wollten: am Wohlfahrtsstaat genauso wie am deutschen Reinheitsgebot, am christlich geprägten Abendland wie am Briefgeheimnis.

Dabei sind es ebenjene Generationen derer, die heute zwischen fünfzig und neunzig sind, die diesen Wandel erst herbeigeführt haben: mit ihrer Arbeit, ihrem Erfindergeist, ihrem politischen und wirtschaftlichen Wirken und Engagement, ihrer Stimme bei Wahlen. Von der US-amerikanischen Forschung werden diese Geburtenjährgänge als die stille Generation und die Generation der Babyboomer bezeichnet. In Deutschland sind es Teile der Nachkriegsgenerationen wie die Aufbaugeneration oder die 45er.

Absurderweise scheint es nun oft so, als wäre ihnen hierzulande die Saat ihres Wirkens über den Kopf gewachsen: Das ist bei der Agenda 2010 so, mit deren Folgen nicht nur die Sozialdemokraten noch immer zu kämpfen haben. Dies ist mit den Fortschritten im Internet so, dessen Mechanismen außer den vergleichsweise jungen Piraten keine Partei so richtig zu verstehen scheint. Die Reihe der Beispiele lässt sich fortsetzen: von selbst für Spitzen-Mathematiker kaum mehr zu durchschauenden Finanzprodukten bis zu genmanipulierten Getreidesorten.

Die Last dieser Entwicklungen tragen nachfolgende Generationen: Sie haben mit einen dysfunktionalen Sozialsystem, dem Web als in vielerlei Hinsicht rechtsfreiem Raum, mit möglicherweise schädlichen Nahrungsmitteln, mit einem so nie dagewesenen Religionskrieg und wirtschaftlichen Krisen zu kämpfen.

Bezeichnend ist, dass die Verantwortung für diese großen Konflikte kaum mehr bei den vorangegangenen Generationen zu liegen scheint. Damit ist nicht das leider oft typische Verhalten von Politikern, Wirtschaftslenkern, Wissenschaftlern und anderen Entscheidern gemeint, die sich wegducken, wenn sie mit den Konsequenzen ihres Handelns konfrontiert werden.

Es ist vielmehr das alltägliche Reden über die Probleme, das bedenklich ist: Von den nachfolgenden Generationen werden oft wie selbstverständlich Lösungen für die Fehler der vorangegangenen erwartet. Die jedoch wird bei jeder Gelegenheit als unfähig abgekanzelt: Die Generation X wird als haltlos und verantwortungslos gebrandmarkt, die ihr nachfolgende Generation der Millenials als eine Meute teilnahmsloser Smartphone-Junkies, ganz zu schweigen von der noch jüngeren Generation, welche vermeintlich nichts tut, außer „Youtube“ zu glotzen.

Diese im Alltag greifenden und durch viele Medien beschriebenen Vorurteile sind kennzeichnend für die vorangegangenen Generationen: nämlich für ihre Ahnungslosigkeit. Während sie einerseits Verantwortung abschieben und dann erschrecken ob der prekären Lage oder wenig interessierten Reaktion ihrer eigenen Kinder, scheint gleichzeitig ein Reflex des Vergessens einzusetzen. Da Ursache und Symptom – also durch vorangegangene Generationen verursachte gesellschaftliche Probleme und Verhalten der Jüngeren – zueinander zu passen scheinen, wird beides assoziiert. In der Folge wird die eigene Verantwortung negiert und schließlich auf eine der nachfolgenden Generation geschimpft. Nach dem Motto: Es ja kein Wunder, dass die Welt in einem so desolaten Zustand ist, wenn man sich nur die heutige Jugend anschaut.

Was beinahe putzig klingt, kann für unser gesellschaftliches Gefüge verheerende Folgen haben. Denn so entfremden sich Alte und Junge genau dort, wo sie sich eigentlich viel zu sagen hätten. Die gleichsam eingebildete Ahnungslosigkeit der Älteren gefährdet so auch längerfristig die Lösung wichtiger Konflikte. Ein erster Schritt wäre, sich dieses Prozesses bewusst zu werden, also die nachfolgenden Generationen auch als durch das eigene Handeln geprägt zu verstehen.

Idealerweise wird dann irgendwann eine Kultur der gesellschaftlichen Verantwortung gelebt, die über die eigene Lebenszeit und Lebenswelt weit hinausweist. Dann bekämen die Jüngeren vielleicht endlich auch einmal wieder Lust, den ganzen Unfug geradezurücken, den ihre Eltern angerichtet haben, statt ihn bloß auszubaden.

Sebastian Grundke, freier Journalist in Hamburg, schreibt die OC-Kolumne „Was mich bewegt“ freitags.

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Philip Ronin am 24. Februar 2017

Selten so viel undifferenzierten "Generationen" Unsinn gelesen! Auf wen oder was beziehen sich diese Aussagen? Woher kommt dieser Ozean an Allgemeinplätzen, Pauschalierungen und schlicht falschen Behauptungen? Ein Medienmensch schreibt bei anderen Medienmenschen ab, bzw. rezipiert dass medial Erbrochene wie letzte Wahrheiten. Schlecht, sehr schlecht. Herrn Grundke spare ich mir zukünftig . . .

Sebastian Grundke am 1. März 2017

Sehr geehrter Philip Ronin,

danke für Ihren Kommentar. Können Sie mir bitte genau darlegen, wo und was genau ich ihrer Ansicht nach abgeschrieben haben soll und welche Behauptung falsch ist?

Mit freundlichen Grüßen,

Sebastian Grundke

Zaunkönigin am 10. März 2017

Herr Grundke, mit Ihren übergriffigen und unfundierten Behauptungen mag sich kein Mensch im Detail mehr auseinander setzen. Wer verschwendet schon gerne seine Zeit?

Warum ich das schreibe? (interessiert Sie das wirklich?) Das hier "Zitat: In der Folge wird die eigene Verantwortung negiert und schließlich auf eine der nachfolgenden Generation geschimpft." betreiben Sie im Umkehrschluss in Perfektion.