Vorsicht vor den Surferfängern

Von Sebastian Grundke am 10. März 2017

Konservative Politiker fordern die Wiederbelebung des alten TV-Formats „Der 7. Sinn“, um über das Web aufzuklären. Völlig daneben ist der Vorstoß nicht.

Im Februar ging ein Vorstoß der CDU beinahe unter: Die IT-Experten der Konservativen, darunter Thomas Jarzombek, wollten die Fernsehsendung „Der 7. Sinn“ wiederbeleben. Statt über Verkehrsregeln sollte über das richtige Verhalten im Web aufgeklärt werden. Die Idee wurde eher bespöttelt als ernst genommen. Doch ganz falsch war sie nicht.

Schließlich bringt das Internet noch reichlich Probleme mit sich. Zwar ist die Bedienfreundlichkeit durch Smartphones und Tablet-PCs gestiegen. Eine ganz und gar altbackene Rentner-Sendung, die Grundlagen vermittelt, braucht es also nicht. Doch viele Verbraucherthemen und auch der Datenschutz im Web werfen immer noch Fragen auf. Denn das Web entwickelt sich ständig weiter. Immer wieder versuchen Menschen, online Geld zu verdienen. Nicht immer genügen ihre Geschäftsmodelle den Gesetzen oder sind zumindest fragwürdig. Manches Angebot entpuppt sich schlicht als Abzocke. Hinzu kommen Hatespeech, Hackerattacken und das fragwürdige Verhalten von Geheimdiensten beim Umgang mit der Privatsphäre der Bürger.

Einen siebten Sinn, also einen intuitiven Umgang mit Webanwendungen zu entwickeln, fällt da selbst Experten schwer. Allzu schnell entwickelt sich das Web weiter, allzu schwierig ist immer noch die Rechtslage, allzu kurz der Hebel der Justiz, beim Datenschutz wie beim Verbraucherschutz. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn große US-Konzerne wie Facebook oder Google oder gar Geheimdienste fragwürdige Praktiken an den Tag legen.

Dennoch sollte über die nächste Abmahnwelle, eine neue Phisching-Masche, einen gefährlichen Virus, versteckte Kosten bei einem neuen Online-Dienstleister oder anfällige Hardware aufgeklärt werden. Und das kann gerne auch mit einer zeitgemäßen Sendung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen geschehen. Bloß wäre das dann eher eine Neuauflage von „Vorsicht Falle!“, der Sendung, mit der einst Eduard Zimmermann vor Betrügern, Drückerkolonnen etwa, warnte. Sie entspräche weitaus mehr als andere Formate der deutschen Fernsehvergangenheit den Problemen, die das Web heutzutage mit sich bringt.

Wie so eine Wiederbelebung genau von statten gehen könnte, darüber lässt sich trefflich mutmaßen. Ein Youtube-Kanal und jemand mit Glaubwürdigkeit und Sachverstand als Moderator wären ein richtiger Anfang. Dann ließe sich noch der Untertitel aktualisieren: Statt „Nepper, Schlepper, Bauernfänger“ könnte es etwa „Nepper, Schlepper, Surferfänger“ heißen.

Sebastian Grundke, freier Journalist in Hamburg, schreibt die OC-Kolumne „Was mich bewegt“ jeden Freitag.

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maSu am 13. März 2017

Zitat:
Dennoch sollte über die nächste Abmahnwelle, eine neue Phisching-Masche, einen gefährlichen Virus, versteckte Kosten bei einem neuen Online-Dienstleister oder anfällige Hardware aufgeklärt werden.
Zitat Ende.

Die nächste Abmahnwelle ist nur möglich, weil in Deutschland unfähige Politiker noch weit weniger fähigen Juristen schwammige Gesetze vorlegen.

Man muss sich nur mal anschauen, auf was für ein erbärmliches "Gutachten" die kölner Richter im RedTube Fall hereingefallen sind. Das Gutachten hätte ein Grundschüler demontieren können. Das "Gutachten" bestand aus wenigen Seiten, die keinerlei relevante Information enthielten. Es wurde nicht einmal grob erklärt, wie das Programm die angeblich erfassten Daten ermittelt haben soll oder welche Daten ermittelt wurden: IP, Zeitpunkt, ...! Zu so einem Gutachten hätte mindestens gehört, wie sichergestellt wird, dass der Zeitpunkt der angeblichen Tat so genau erfasst wird, dass eine Providerabfrage zu der IP Adresse überhaupt sinnvoll wäre. Aber nichts dazu. Dabei sollte man wissen, dass IP Adressen durchaus dynamisch vergeben werden. Also Anschluss A um 13:59 und 10 Sekunden die gleiche IP hatte, wie Anschluss B um 13:59 und 11 Sekunden (Anschluss A ist nun Offline). D.h. wenn ich eine Seite ansurfe und dann meinen Router ausschalte (oder der Provider bzw. der Router alle x Stunden generell neue IPs vergibt/bekommt - der legendäre 24h disconnect), dann kann die IP, die ich gerade eben noch hatte, nun ganz neu vergeben sein.
Schon EINE Sekunde mögliche Ungenauigkeit machen eine IP-Adresse eigentlich wertlos.

Zudem ist die Störerhaftung einzigartig. Nur Deutschland subventioniert auf diese Art und Weise eine widerwärtige Abmahnindustrie.

Wieso also eine Fernsehsendung, die den Bürger vor diesem Schwachsinn warnt? Dieser Schwachsinn gehört abgeschafft!

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Phishing stellt eigentlich kein Problem dar. Menschen, die dubiose Anhänge noch weitaus dubioser E-Mails
"Give me 234€ and you will get 500€ one year later. Click on the attachement! (moneymoney.pdf.exe)" (Was zum Teufel?????)
anklicken sind weder lernfähig noch lernwillig. Man klickt keine Anhänge von unbekannten E-Mails an. Ende.

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Virus, versteckte Kosten und anfällige Hardware fällt mehr oder weniger zusammen: Der Grund ist der Routerzwang, der nun zwar offiziell abgeschafft wurde, aber: Wenn der Kunde Probleme mit der Verbindung hat und ein eigenes Gerät verwendet, dann ist der Kunde(!) Nachweispflichtig, dass sein Gerät in Ordnung ist. D.h. jemand ist Telekom-Kunde und hat plötzlich Verbindungsabbrüche usw? Die Erste Frage der Hotline wird nach dem Endgerät sein. Ist es ein "Telekom-Gerät"? Nein? Auf wiederhören! Bei anderen Anbietern wird es dann ähnlich sein. Und so ist der Kunde weiterhin gezwungen die Providergeräte zu nutzen, die der Kunde weder updaten noch gegen neuere Geräte ersetzen kann.
Ich war so erfreut als ich von der Abschaffung des Routerzwangs gelesen habe. Und dann kamen die Details und ich dachte nur: "Neuland."!

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Fazit:

Wir brauchen keinen "7. Sinn", der ausgemachten Volliddioten das Internet erklärt. Wir brauchen zunächst einmal brauchbare und damit bessere Gesetze und Gerichte, die einen Hauch von Sachverstand haben.

Beispiel?
- Störerhaftung ersatzlos streichen! In anderen (EU) Ländern ist auch ohne Störerhaftung noch kein Weltuntergang eingetreten.
- Routerzwangabschaffung so ändern, dass der Endkunde ein möglichst einfaches und passives Endgerät bekommt, welches jedweden Router "dahinter" akzeptiert, sodass der Endkunde bzw. der Provider bei der Fehlersuche überhaupt eine Chance haben.
- Richter/Staatsanwälte schulen/weiterbilden, sodass Fälle mit IT-Bezug nicht mehr von ahnungslosen und inkompetenten Sesselbeheizern entschieden werden.
- Polizei schulen und besser ausstatten, dass Hardware schneller(!) wieder ausgehändigt werden kann. Es kann nicht sein, dass bei einer Hausdurchsuchung die Hardware für Monate oder gar Jahre einbehalten wird und dann mangels Kapazitäten auch noch von privaten und externen Dienstleistern durchsucht werden.

und so weiter.

Es gibt Fälle, da wird einem Menschen der Besitz von Kinderpornos vorgeworfen. Dann werden die Computer im Rahmen der Hausdurchsuchung sichergestellt. Dann passiert 1 Jahr nichts. Dann stellt die Polizei fest: Alles verschlüsselt. Und dann weigert man sich die Sachen wieder herauszugeben, obwohl der Verdacht(!) nicht erhärtet werden konnte. Das ist ein normaler Ablauf. Jetzt meinen Manche: "Kinderpornos.... alle kastrieren!!! EIER AB!" aber es gab genug(!) merkwürdige Verfahren ("Operation Himmel" und viele mehr) bei denen Zehntausende verdächtigt wurden, ohne dass da irgendwas dran gewesen wäre. Die Verfahren ziehen sich, sind eine extreme Belastung und vieles mehr.

und gerade bei KiPos müssen auch mal Paragraphen aufgeräumt werden:
Nehmen wir mal an, jemand findet zufällig im Netz ein Bild, welches die Person für einkinderpornografisch hält. Anzeige erstatten? Besser nicht. Denn: Der Browser hat das Bild heruntergeladen. Damit ist man offiziell in Besitz von KiPos und hat sich bereits strafbar gemacht. Genial oder? Ginge man zur Polizei, wäre das auch(!) eine Selbstanzeige.

Oder jemand surft im Netz, landet auf einer Seite, die 5000 Bilder enthält. Die ersten 100 schaut er sich an (irgendwelche Pornos), der Browser lädt aber schon die ersten 200. Ist nun ein KiPo unter den ersten 200 Bildern: heruntergeladen. Damit ist die Person in Besitz des Bildes, obwohl die Person das Bild weder sehen wollte, noch gesehen hat. Hui.

Es gibt sogar Fälle, da hat die Polizei KiPos gefunden und entfernt (löblich) aber dann an gleicher Stelle mit gleichem Namen harmlose Pornos hochgeladen und dann haben die beobachtet, wer sich den harmlosen Porno herunterlädt (über Wochen und Monate!). Dann wurde behauptet, dass all diese Personen die KiPos hätten haben wollen. Hausdurchsuchung usw. inklusive. Hat Klaus Dieter von seinem Bekannten, dem Werner, einen netten Porno empfohlen bekommen und dann den Link dazu, weil schon Werner nur den legalen Porno dort sah und keine Ahnung haben konnte(!) dass dort jemals KiPos unter dem Link zu finden waren?!

Ebenso kritisch: Bilder per Whatsapp (oder ähnlichen Programmen) sind sehr kritisch. Sie werden automatisch heruntergeladen oder der Anwender sieht ja nichts bevor er es heruntergeladen hat. Schicken sich nun "verliebte" Personen im Alter von 13-16 Jahren solche Bilder zu, geht es sehr schnell um Kinderpornos. Absurd? Ja. Und geltende Rechtslage. Eigentlich müsste man mal alle E-Mail-Adressen und Handynummern, die man so von unserem Justizminister herausfinden kann, an 13 Jährige weitergeben, sodass diese diese Adressen dann mit sexuellen Bildern von sich selbst bombardieren.

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Die Gesetzeslage in dem ganzen Bereich ist schlicht und ergreifend Irrsinn. Gefährlicher Irrsinn! Darüber aufzuklären ist völlig sinnlos. Man muss diesen Irrsinn ändern. Dringend. Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte müssen umfassend geschult werden.

Aber das Unterfangen ist sinnlos in einem Land, in dem ein Staatsanwalt vor die Presse tritt und eine Hausdurchsuchung damit begründet, dass die Person nichts illegales gemacht habe, aber wer dieses oder jenes Legales mache, der mache auch dieses oder jenes illegales. Folgen für den Staatsanwalt? KEINE! Folgen für den Richter, der diese illegale Durchsuchung genehmigt hatte? KEINE!

Wem passiert? Sebastian Edathy. Aber die Presse hatte da ja nur Schaum vor dem Mund und kam vor lauter moralischer Empörung gar nicht mehr dazu, einen klaren Gedanken zuzulassen. Moral ist das eine. Gesetze eben etwas anderes. Man kann moralisch und persönlich urteilen. Das Strafrecht ist hier aber der falsche Weg!