Schulz hat gegen Merkel schon verloren

Von Volker Warkentin am 14. Mai 2017

Die krachende Wahlniederlage der SPD in ihrem Stammland Nordrhein-Westfalen ist bitter für die Partei. Für den sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten Martin Schulz ist der dritte Wahl-Fehlschlag in Folge eine Katastrophe – die Bundestagswahl dürfte für ihn so gut wie gelaufen sein. 

Eine Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen ist keine Abstimmung wie in einem x-beliebigen Bundesland. Zwischen Rhein und Weser leben ein Viertel aller Wahlberechtigten, so dass mit Recht von einer kleinen Bundestagswahl die Rede ist. Das gilt um so mehr, wenn es bis zur Wahl des Bundesparlaments nur noch vier Monate sind. Aus dem Abstimmungsverhalten der Rheinländer und Westfalen lässt sich ablesen, wohin die Reise für Kanzlerin Merkel und Herausforderer Schulz gehen wird. Trotz Flüchtlingskrise und eines leichten Überdrusses an der Dauerkanzlerin stehen die Zeichen seit Sonntag wieder auf Merkel.

Als Tiger gesprungen, als Bettvorleger gelandet. Martin Schulz steht das selbe Schicksal bevor wie Hans-Jochen Vogel, Johannes Rau, Oskar Lafontaine,Rudolf Scharping, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück: Sie haben sich als Kanzlerkandidaten vergebens an den Amtsinhabern Helmut Kohl und Angela Merkel abgearbeitet. Einzig Gerhard Schröder ragt mit seinem Sieg über Helmut Kohl aus der langen Reihe der gescheiterten Herausforderer hervor.

Doch mit der Kanzlerschaft des Niedersachsen begann 1998 der Niedergang der ältesten deutschen Partei. Animiert vom Erfolg Tony Blairs, der die britische Labour-Partei nach bitteren und langen Oppositionsjahren mit einem Rechtsruck wieder an die Regierung gebracht hatte, verordnete Schröder den Sozialdemokraten den Weg in den Neoliberalismus. Seinen Höhepunkt fand der neue Kurs in den Hartz-Gesetzen. Die neuen Regeln für den Arbeitsmarkt werden immer wieder als Grund für die hervorragende Lage der deutschen Wirtschaft genannt. Doch die Reformen haben die SPD nicht nur um das Kanzleramt gebracht. Sie haben die Partei, die sich noch immer als „Schutzmacht der kleinen Leute“ versteht, auch um ihre Seele gebracht.

Das rächt sich nun. Die rot-grüne Koalition unter Ministerpräsidentin Hannelore Kraftwurde zwar wegen landespolitischer Fehlleistungen abgewählt. Doch eben so wichtig wie die Defizite von Rot-Grün in der Schul- und Sicherheitspolitik – hier ist NRW bundesweites Schlusslicht – war den Wählern die Weltlage und die Frage nach der Bundeskanzlerin oder dem Bundeskanzler. Doch gerade da zog der als großer Hoffnungsträger und als Heiliger St. Martin gefeierte Schulz gar nicht. So schnell wie er ist noch nie ein Kanzlerkandidat demontiert worden.

Wie nun weiter mit Schulz und der SPD? Kämpfen, kämpfen, kämpfen. Auch wenn das Kanzleramt den Genossen nun bis mindestens 2021 verschlossen bleiben wird. Die Partei hat gar keine andere Wahl, wenn sie will, dass nur mit ihr die Bundesregierung gebildet werden. Doch weitere vier Jahre als Juniorpartner der Union allein genügen nicht. Die SPD muss sich neu erfinden und resozialdemokratisieren. Den Genossen sei der Philosoph Georg Christoph Lichtenberg zur Lektüre empfohlen, der schon zu Zeiten der Aufklärung wusste: „Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders wird, aber so viel kann ich sagen: Es muss anders werden. wenn es gut werden soll.“

Volker Warkentin ist Journalist und Autor in Berlin. Er ist Mitglied der SPD.

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