Warten, bis der Spuk vorbei ist!

Von Volker Warkentin am 30. Mai 2017

Donald Trump hat mit seinem Beharren auf nationalen Interessen das transatlantische Verhältnis schwer beschädigt. Die Reaktion von Angela Merkel ist angesichts der EU-Krise aber zu kurz gedacht.

Ist es das Ende einer wunderbaren Freundschaft? Nicht unbedingt. Die transatlantischen Beziehungen sind in 70 Jahren so eng geworden, dass sie auch diesen amerikanischen Präsidenten überstehen werden. Frei nach Stalin: Die Trumps kommen und gehen, aber die Freundschaft zwischen den USA und den Europäern bleibt bestehen. Die neue und die alte Welt müssen sich aber für die nächsten Jahre auf politische Unwetter einstellen, die weitaus schlimmere Folgen haben können als die Katastrophenszenarien für den Klimawandel.

Nun auf Europa zu setzen, ist zunächst einmal kein schlechter Gedanke der Kanzlerin. Die Länder diesseits des Atlantiks haben in der Vergangenheit darauf vertraut, dass die USA, die Soldaten und Waffen innerhalb kurzer Zeit in Krisenregionen schaffen können, ihnen in bewaffneten Konflikten beistehen. Das will Trump nun nicht mehr, und die Europäer müssen für das Militär nun tief in die Taschen greifen.

Es wird die Europäer viel Geld kosten, allein die riesigen Lücken etwa bei den Transportmöglichkeiten zu schließen. Da werden die zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts leicht erreicht, die Trump den Partnern als Beitrag zur Nato abverlangt. Schon jetzt kündigt SPD-Chef Martin Schulz an, er werde sich als Bundeskanzler dieser „Aufrüstungslogik“ verschließen. Damit dürfte er in weiten Teilen der pazifistisch empfindenden Deutschen punkten können.

Auch jenseits des Militärischen kommt Merkels an sich notwendiger Vorstoß für eine Stärkung der EU zur Unzeit. Noch haben die Europäer den Brexit-Entscheid der Briten nicht verdaut und steht kein Verhandlungsbeginn fest. Nicht absehbar ist auch, wie der neue französische Präsident Emmanuel Macron bei der Wahl zur Nationalversammlung abschneidet und wie die Rechtspopulisten aus den Abstimmungen in Deutschland und Österreich hervorgehen werden.

Völlig unberechenbar sind die Autokraten vom Schlage eines Viktor Orban oder Jaroslaw Kaczynski. Der ungarische Ministerpräsident Orban, der Pole Kaczynski und seine rechts-konservative Regierungspartei PiS nehmen zwar gerne Geld aus Brüssel. Zugleich haben sie wiederholt deutlich gemacht, dass ihnen die ganze EU mit ihren Werten wie Demokratie, Toleranz, Pluralität und Rechtsstaatlichkeit nicht in den Kram passt. Diesen Mangel an Werten haben sie mit dem amerikanischen Präsidenten gemeinsam. Trump wird also in Verhandlungen über eine Stärkung Europas mit am Tisch sitzen. Da ist Obstruktion programmiert

Als Alternative bietet sich der alte Gedanke von einem „Europa der zwei Geschwindigkeiten“ an. Dabei kommt es vor allem auf eine enge, fast naht- und geräuschlose Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich an. Doch solange sich Berlin und Paris nicht einig sind, wie die französische Wirtschaft wieder auf Wachstum getrimmt werden soll, bleibt ein gemeinsamer Kurs der beiden größten EU-Mitglieder ein frommer Wunsch.

Eher wird der Spuk Donald Trump vorüber sein. Damit dürfte ein Neubeginn der transatlantischen Freundschaft näher liegen als eine Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit.

Volker Warkentin, ist Journalist und Autor in Berlin. Seine OC-Kolumne „Warkentins Wut“ erscheint regelmäßig dienstags.

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