Uber ist Ausgeburt des fiesen Kapitalismus

Von Thomas Schmoll am 27. November 2017

Das aggressive und dummdreiste Verhalten des Fahrtdienstvermittlers gehören zum Ekelhaftesten, was die Globalisierung hervorgebracht hat. Uber hat Verlogenheit zum Leitmotiv erhoben. Bei Bedarf vertuscht er sogar Datenklau.

Travis Kalanick und Donald Trump sind Brüder im Geiste. Dass der ehemalige Chef von Uber den US-Präsidenten unterstützte, wundert kein Stück. Kalanick ist wie Trump ein Zerstörer althergebrachter Regeln, der sich als Erneuerer ausgibt und keine Anstalten macht, sein aggressives und egomanisches Wesen zu verbergen. Auch er setzt auf Fäkalsprache, um Konkurrenten verächtlich zu machen. „Wir befinden uns in einer politischen Kampagne“, hatte Kalanick vor drei Jahren verkündet, „in der der Kandidat Uber heißt und der Gegner ein Arschloch namens Taxi“.

„Politische Kampagne“ bedeutet bei Uber: Staatliche Vorgaben zu ignorieren und über intensive Lobbyarbeit zum Ziel zu kommen. „Uber baut in Berlin und Brüssel massiven Druck auf. Es handelt sich um die größte Lobbyorganisatio aller Zeiten“, zitierte die Zeitung „TZ“ kürzlich den Chef des Münchner Taxiunternehmens Isar-Funk, Christian Hess. Zugekleistert wird die Strategie der Markteroberung mit Fortschrittsgeschwafel und Versprechen neuer Glückseligkeit auf dem Planeten. Das Unternehmen prognostizierte eine Million Arbeitsplätze bis 2020 – nur für Frauen. Da schreit jede Gleichstellungsbeauftragte vor Glück. Die Kurzformel von Uber lautet: mehr Jobs, mehr Umweltschutz, mehr Freiheit, mehr Parkplätze, mehr Chancen – und weniger Autos.

Wiederum garniert mit einem – für Uber-Verhältnisse bescheidenen – Versprechen, in den kommenden zwölf Monaten in Europa 40.000 zusätzliche Jobs zu schaffen, kündigte Kalanick im Januar 2015 „eine Partnerschaft mit EU-Städten“ an. Damals gingen Taxifahrer auf die Barrikaden, weil Uber mit unfairen und – wie sich in diversen juristischen Entscheidungen herausstellte – gesetzeswidrigen Mitteln ihr Geschäft bedrohte. Kalanick wetterte gegen ein „geschütztes Monopol“ der Taxi-Branche. „Aus Regeln, die Menschen schützen, wurden Regeln, die eine Industrie schützen.“

Verlogenheit als Leitprinzip

Über den Ansatz kann man diskutieren. Dem Taxigewerbe mit seinen Einheitspreisen und mies gelaunten Fahrern, die vielfach kaum Deutsch können und ohne Navi nicht zum Ziel kommen, Feuer unterm Hintern zu machen, ist für die Verbraucher gut. Das Problem ist: Uber kann und darf man nichts glauben. Der Konzern hat die Verlogenheit zum Leitprinzip erhoben. Dem Management von Uber geht es nicht um eine bessere Gesellschaft mit besseren Menschen, die sich ach so freundlich einen Wagen teilen, sondern um Kohle scheffeln ohne Rücksicht auf Verluste (aller anderen).

Uber ist kein Weltenretter, Uber ist ein Demolierer, der soziale Verantwortung zurückweist. „Disruption“ heißt das Zauberwort von Kalanick und Co. Ein Markt in althergebrachter Form wird marginalisiert oder völlig ausgelöscht, um ihn zugleich so wieder erstehen zu lassen, dass er mehr Profit abwirft – koste es für andere, was es wolle. Der Fahrtenvermittler nutzte Gesetzeslücken aus, um Regulierungen zu umgehen, über die Kalanick höhnische Bemerkungen machte. Staatliche Vorgaben zur Personenbeförderung? Wir pfeifen drauf, lautete die Devise. Zu einer einstweiligen Verfügung des Landgerichts Frankfurt am Main sagte Kalanick: „Der Fortschritt lässt sich nicht ausbremsen.“ So kann man Rechtsbrüche rechtfertigen.

Was Uber unter „Partnerschaft mit EU-Städten“ versteht, ist inzwischen bekannt. Juristischer Streit bis vor den Europäischen Gerichtshof. Ein Unternehmen, dessen Marktwert auf 70 Milliarden Dollar geschätzt wird, hat genügend Geld und kann sich eine Zermürbungstaktik leisten. Taxiunternehmer werfen Uber nach dem Verbot der Fahrtenvermittlung mittels Leuten mit deren Privatfahrzeug („Uber Pop“) neuen Rechtsbruch vor. Das Unternehmen setzt inzwischen auf Mietwagen samt Chauffeuren. Temporär angemietete Fahrzeuge dürften nicht einfach auf der Straße Leute aufgabeln, sie müssten von der Mietstation losfahren und wieder dorthin zurückkehren, argumentiert das Taxigewerbe. Uber ignoriere das.

Da hilft auch keine Werbung

Das zurecht ramponierte Image will Uber mit einer Werbekampagne aufpolieren. Doch die zeigt nur abermals die Schaumschlägerei. Auf einem Plakat ist ein smarter Geschäftsmann zu sehen – allein im Fahrzeug. Von wegen Carpools! „Wär’s nicht langsam Zeit für weniger Stop and Go?“, hat sich eine Werbefirma als Spruch ausgedacht. Ja, wird es. Aber dann bitte mittels echtem Carsharing oder öffentlichen Verkehrsmitteln. Oder gerne auch Taxis, deren Fahrer auch Besoffene und Rollstuhlfahrer mitnehmen müssen, statt sich die gut gekleideten Rosinen rauszupicken.

Dass Werbung das Blaue vom Himmel verspricht, wissen wir. Uber aber macht auf Kumpel: Eh, Alter, lass uns teilen, kein Auto bedeute mehr Freiheit! Hier nochmals für alle. Die „Sharing Economy“, wie sie Uber lebt, ist eine Erfindung cleverer Marketingstrategen. Sie ist nicht sozial, sondern Business pur. Uber und deren Fahrer erbringen eine Dienstleistung, für die sie Geld vom Kunden bekommen. So war das schon immer. Das ist kein Teilen, um die Umwelt zu schonen, sondern eine Geschäftsidee, die sich als galante Neuerung tarnt.

Wie altbacken der Konzern sein kann, zeigt der Vorwurf einer früheren Mitarbeiterin, die Uber eine „Kultur voller Sexismus“ vorwirft. Kalanick sagte schnellstmögliche Aufklärung zu. Es war eines seiner letzten Versprechen an die Öffentlichkeit, eher er als Vorstandschef abgelöst wurde. Auch die Klage der Google-Tochter Waymo, die für den Internetriesen Roboterwagen entwickelt, fällt noch in seine Ägide. Waymo legt dem Autovermittler den Einsatz gestohlener Technologie vor. Nichts ist bewiesen. Aber den Hyperventilierern von Uber ist alles zuzutrauen.

„Wir waren ein bisschen aggressiv“

Man hatte sich an die Skandale des Konzerns gewöhnt. Doch der unglaubliche Datenklau, den Uber ein Jahr lang zu vertuschen gedachte, schlägt dem Fass den Boden aus. Hacker hatten sich im Oktober 2016 über eine Sicherheitslücke Zugriff auf Daten von rund 50 Millionen Kunden und sieben Millionen Fahrern verschafft. Statt das anzuzeigen, zahlte Uber nach eigenem Eingeständnis 100.000 Dollar Schweigegeld an die Ganoven. Auch nachdem Kalanick den Vorstandsvorsitz an Dara Khosrowshahi übergab, offenbarte sich Uber nicht sofort gegenüber Kunden und Polizei. Zunächst wurde ein Investor informiert. Das Geschäft geht bei Uber halt vor.

Khosrowshahi „verpflichtete“ sich in einem öffentlichen Statement „im Namen jedes Uber-Mitarbeiters“, aus „unseren Fehlern“ zu lernen. Er teilte mit: „Wir verändern unser Geschäftsgebaren, wir stellen die Glaubwürdigkeit in den Mittelpunkt unserer Entscheidungen und arbeiten hart daran, das Vertrauen unserer Kunden zurückzugewinnen.“ Es wird Zeit. Ob das wirklich das Resultat einer inneren Einkehr ist, muss abgewartet werden. Vielleicht ist es die neuste Finte, Investoren zu beruhigen, die schon Kalanicks Rückzug erzwungen hatten.

Offenbar haben die Konzernstrategen begriffen, dass die Strategie des gnadenlosen Angriffs nicht überall ankommt. Khosrowshahi erklärte englischsprachigen Medien zufolge kürzlich: „In der Vergangenheit waren wir ein bisschen aggressiv.“ Das klingt so, als würde sich Trump bescheinigen, „ein bisschen frech“ gewesen zu sein. Aber vielleicht ändert sich das Verhalten von Uber. Das wäre wünschenswert. Denn Unternehmen der Marke Uber machen die Welt nicht besser, sondern schlechter.

Quelle: n-tv.de

 

 

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Titus von Unhold am 29. November 2017

Uber ist doch nicht die Catitas. Dazu zitiere ich mal Reiner Hank aus der FASZ. Unter der Überschrift "Der Uber-Chef, das Ekel" schrieb er: "Einen Unternehmer sollte man ausschließlich nach seinem wirtschaftlichen Erfolg beurteilen. Entscheidend ist, ob sein Treiben im Ergebnis den Wohlstand der Nationen mehrt und zum menschlichen Fortschritt beiträgt. [...] Er kann ein Engel sein. Er kann aber auch ein großes egoistisches Arschloch sein. Für die Beurteilung seines unternehmerischen Erfolgs ist das unerheblich."